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Sine + Zeit

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Aphorismen des Tages:

 

Feind war Arschloch

Ausgangspunkt Musical

Golf genommen

h’ d-moll

Niemals Kunst

denkt auch Wieso

Mathematik ?2

Sonifikation der Wikipedia-Diskussionsseite über den Eintrag „Musik“

Mention of rhythm in the introduction, perhaps

All versions of the discussion page of the Wikipedia article about „Music“ from 1st August 2011 (Obama agreed with the Republicans on raising the debt limit) until 14th January 2013 (day of the composition).

Each letter is applied to a specific pitch by chance (in low register). These pitches are played with pulse waves, each word is considered as a chord, the chords follow each other extremely fast. Between each page version, there is a 1.3 second rest.

In that period of time, the discussion page was edited 72 times. This gives rise to a kind of developing variations form.

One of the threads in the talk about music on Wikipedia was entitled „Mention of rhythm in the introduction, perhaps“

Schallwellenwandbemalung

Audiomurale” von Adriana Ronżewska-Kotyńska, die Darstellung von teilweise (aus inhaltlichen Gründen) nicht druckbaren Interviews als Wellenform an einer Hauswand.

 

The Audiomurale project is set on the wall of a townhouse at Rzeznicka Street in the Old Town district of Elblag (Poland). Extensively damaged at the end of World War II, Elblag’s Old Town waited until the 1980′s for major reconstruction works, which eventually took the form of so-called retro-version. As that area was essentially a vast empty square for several decades, nowadays it calls for a revival of its historical urban – or simply urban – ambience. For the purposes of the project, we conducted interviews with passers-by, people working or living in the Old Town. Selected opinions – including some unprintable remarks – were transferred onto a blank wall of a townhouse in the form of spectrograms (i.e. sound wave patterns).

(via rebel:art)

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Aphorismen des Tages:

 

Erkenntnis des großen aleatorischen Nichts

Ausgabe Ästhetische Orchestermusik

Objektiver Penis

Melodielosigkeit zur Lösung der Gegenwartsmusik

Die Originalfassung der Warteliste

Der Papst granuliert

Ständig fortlaufende Übersetzung

Postmoderne find ich super

In der FAZ vom 5.1.2013 steht ein Text, den ich bemerkenswert finde:

Auf dem Jahrmarkt der Zeitdiagnosen

Jürgen Kaube stellt darin fest, wie inflationär in Sachbüchern, Essays, Leitartikeln und Vorträgen eine neue Epoche ausgerufen wird – aber jeder ruft natürlich eine eigene neue Epoche aus. Dafür bringt er viele, sehr viele Beispiele.
Zum Ende dann sucht er eine Erklärung für das Phänomen: Die „Behauptung, an einer Epochenschwelle zu stehen“ entspringe einem „Prägnanzbedürfnis derer [..], die gerne Subjekte der Geschichte sein möchten.“ Aber schlichte Verkaufsstrategie und Überbietungsgehabe zählt er ebenfalls zu den Gründen.

Im Bereich der Neuen Musik treffe ich oft die Meinung an, die Postmoderne müsse doch langsam mal zu Ende sein, man ist ihrer überdrüssig, und manche können es also nicht erwarten, haben das „Prägnanzbedürfnis“, nun die nächste Epoche auszurufen. Es ist dabei selten zu übersehen, dass darin auch die eigene Wichtigkeit taxiert werden will – unter einer neuen Epoche macht man’s nicht mehr.

Ich kann mir nicht helfen, ich mache da nicht mit, mir ist das unangenehm und ich teile überhaupt nicht die Ansicht. Postmoderne finde ich nach wie vor beglückend, Postmoderne ist ein unprätentiöser, also allgemein durchgedrungener Begriff geworden (es ist noch gar nicht so lange her, dass sich die Postmoderne erst mal gegen die Moderne durchsetzen musste, wie in Texten aus den 1990ern zu erfahren ist). Ich akzeptiere dieses allgemeine Lebensgefühl gerne, und das Internet ist das postmodernste Ding überhaupt – gegen den Pluralismus heute war die in den 1980ern postulierte „Neue Unübersichtlichkeit“ (Habermas) noch geradezu putzig übersichtlich; insofern kommt bei mir überhaupt kein Ennui auf. Und wenn Firmen wie Apple oder Facebook ihre eigenen Zirkel schließen, dann verteidige ich den postmodernen Pluralismus unbedingt (siehe dazu auch das Kapitel „Gegentendenzen“ im Essay „Das totale Archiv“). Bei allen Problemen, die hienieden noch gelöst werden müssen: Ich habe kein Bedürfnis nach einer neuen Epoche. Ich habe ein Bedürfnis danach, dass Probleme gelöst werden und dass das Leben schön ist für möglichst alle auf der Welt. Dafür arbeite ich als Künstler.

(Die Postmoderne selbst sehe ich nicht als Ursache der Probleme, im Gegenteil. So wie Habermas darauf pocht, die Ideale der Moderne erst noch zu verwirklichen, würde ich sagen, dass die Ideale der Postmoderne erst noch verwirklicht werden müssen. Noch immer gibt es einen großen Graben zwischen Hoch- und Massenkultur in der Musik, noch immer ist das „anything goes“ gar nicht wirklich durchführbar, angesichts der im Bereich der Kunstmusik mitkomponierenden Institutionen. Warum das dann bekämpfen und schon wieder eine neue Epoche herbeischreiben wollen?)

Sicher halte ich die Digitalisierung für eine Revolution, zumindest für die Generationen, die so alt sind, dass sie das Spulen von Kassettenbändern noch erlebten, aber so jung sind, dass sie die Kassettenbänder begeistert / ohne Kulturpessimismus gegen die neuen Technologien eingetauscht haben. Die Digitalisierung ist ein großes und ungemein spannendes Thema. Wer hingegen nach 1990 geboren ist, für den ist die Digitalisierung überhaupt keine Revolution, sondern selbstverständlich (allerdings ist der Prozess noch nicht abgeschlossen, ich erwarte da noch viele weitere Innovationen, insofern kann es auch den „Nachgeborenen“ wiederum so ergehen).
Ob die „Digitale Revolution“ nun über mein bescheidenes Leben hinaus eine Revolution darstellt, mag sich abzeichnen, aber schon bei den Vergleichen (wie die Französische Revolution? wie die Industrielle Revolution? wie die Neolithische Revolution?) wird’s spekulativ. Ist das nun eine Revolution, die eine neue Epoche einläutet, wie andere Revolutionen der genannten Großkaliber, oder doch nur eine partielle – technische – Revolution, die just die vorhandene Epoche ausdehnt oder vollendet?

Mir ist das wurscht. Allein schon, weil so viele Leute neue Epochen ausrufen, verbietet es sich mittlerweile, eine neue Epoche auszurufen, selbst wenn es objektiv der Fall wäre. Ich weiß, dass just einige Freunde von mir das anders sehen und praktizieren, und ich toleriere sie völlig, vielleicht verstehe ich ihre Beweggründe einfach nicht. Aber es fragt sich, wie produktiv es heute noch sein kann, auf diese Weise zu theoretisieren, es zieht erfahrungsgemäß mehr Aggressionen auf sich als Zustimmung. Und das hat wahrscheinlich mit dieser Inflation zu tun.
Auf Facebook hat es ein Kommentator unlängst auf den Punkt gebracht:

„Wenn ich noch einmal das Wort ‚Paradigmenwechsel’ höre, werfe ich einen Sack Reis um!“

Es nutzt ja nichts, noch so hohe Summen auf den Tisch zu legen, wenn Inflation herrscht. Was macht man bei einer Inflation? Eine andere Währung einführen. In diesem Sinne braucht es andere Begriffe, aber vielleicht auch etwas mehr Geduld und Zügelung im „Prägnanzbedürfnis“.

Ich jedenfalls sage gerne und mit Überzeugung: Ich bin Postmodernist.

 

(siehe dazu auch „Musik, Ästhetik, Digitalisierung – eine Kontroverse“ S. 91)

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Aphorismen des Tages:

 

Das Frau primär zarteste

Mehr Diskantklauseln

Borges
Derrida
Erweitert

englischer 218f.

Todestrieb saugen

Navigation
Anzahl
Differential

Und das einer neuen reinen Zeit als Großvater (1909)

Links des Tages

Heute nochmal Kreidler, ein paar Links:

Heute Nacht 0.05h sendet DeutschlandRadio Kultur mein Donaueschingen-Stück „Der ‚Weg der Verzweiflung‘ (Hegel) ist der chromatische.“ (sowie Trond Reinholdtsens „Musik“).
Livestrom:
http://www.dradio.de/streaming/dkultur.m3u

Mein Aufsatz „Musik mit Musik“, der letzten Sommer in den „Darmstädter Beiträgen zur Neuen Musik“ bei Schott erschienen ist, wurde von Jelena Mikloš ins Slowenische übersetzt:

http://www.sigic.si/odzven/glasba-z-glasbo

Patrick Frank hat einen Vortrag über „Nullpunkte, Krisen und Subversion in der Musik heute“ gehalten, der hier online steht, darin wird auch meine Arbeit referiert:

http://faustkultur.de/kategorie/musiktheaterfilm/patrick-frank-subversionen-in-der-musik-heute.html#.UPWczayH98F

[ Hier noch ein Vorgeschmack auf „Wir sind Außergewöhnlich“, ein „Diskurskonzert“ in den Berliner Sophiensälen am 19./20. Januar von Patrick Frank, auf das man gespannt sein darf:

http://faustkultur.de/kategorie/musiktheaterfilm/diskurskonzert-von-patrick-frank.html#.UPWYpayH98F ]

Und Stefan Hetzel hat in der Neuen Zeitschrift für Musik Harry Lehmanns Buch „Die digitale Revolution der Musik“ rezensiert, am Ende werde ich genannt:

http://www.musikderzeit.de/de_DE/journal/current/showarticle,35606.html

Kreidler am 22.1. @Volksbühne Berlin

Beim Ultraschall-Festival spielt das Ensemble Mosaik am 22.1.2013 um 20h ein Konzert in der Volksbühne Berlin, u.a. mit meinem Stück „Fremdarbeit„. Ich werde moderieren. Kömmet!

Dienstag, 22. Januar 2013
20.00 Uhr
Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz

„New Forum – Jeune Création“ ist ein neues Netzwerk zur Förderung junger Komponisten, angesiedelt am GRAME in Lyon. Beteiligt sind drei europäische Ensembles aus Frankreich (Ensemble Orchestral Contemporain), Deutschland (ensemble mosaik) und Belgien (Champ d’Action). Sechs junge Komponisten, ausgewählt in einem internationalen Kompositionswettbewerb, erhalten die Möglichkeit einer mehrjährigen engen Zusammenarbeit mit diesen Ensembles. Die neu entstehenden Werke werden in Konzerten mit allen drei Ensembles bei Ultraschall 2014 vorgestellt, das diesjährige Konzert mit den sechs Preisträgern präsentiert gewissermaßen eine Zwischenstation auf dem gemeinsamen Weg.

Eduardo Moguillansky
Limites für Trompete, Klarinette, Viola, Violoncello und Klavier (2006-08)

Aurelien Dumont
Berceuse et des poussières für Klarinette, Klavier, Streichtrio und Zuspiel (2012)

Christoper Trapani
Five Out of Six für sechs Instrumente, Live-Elektronik und Live-Video (2012)

Aurelio Edler-Copes
For Malevich für Violine, Kontrabass und Live-Elektronik (2011)

Johannes Kreidler
Fremdarbeit für Ensemble, Sampler und Moderator (2009)

Hikari Kiyama
Kabuki für Saxophon solo und sechs Instrumente (2009)

ensemble mosaik
Enno Poppe, Leitung

Ein Konzert von Ultraschall in Zusammenarbeit mit der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Im Rahmen von New Forum – Jeune Création, gefördert von der Europäischen Union.

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/ultraschall/1939072/

Das Subjekt-Objekt-Problem

Gestern hatte ich hier Anton Wassiljews „kapital study„, bei der er Schlüsselwörter aus Marx‘ Buch sonisch herausfiltert.
 
Generell bekommen Statistiker dank der Digitalisierung nie dagewesenes Futter, so zB Erkenntnisse über die Häufigkeit des Wortes „Liebe“ oder „Geschlechtsverkehr“ in der deutschen Literatur.

 

Die Credits gehen klar an Anton (bzw. hat Frieder Nake auch schon in der Richtung gearbeitet, wie Anton schreibt), aber ich habe mir erlaubt, auch noch eine Umsetzung der technischen / konzeptuellen Idee zu erstellen – ich wollte das einfach mal hören:
Arthur Schopenhauers „Die Welt als Wille und Vorstellung“ (beide Bände), jedes Wort triggert einen Ton, und zwar der Begriff „Subjekt“ das fis, der Begriff „Objekt“ das f‘, und alle anderen Wörter c‘.
Man beachte einen ersten dramatischen Höhepunkt bei 3’30“ oder die Dialektik bei Minute 16. Wer sich dieses Stück ganz anhört, der hat Schopenhauer verstanden. Am Klavier: Konrad Zuse.

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Aphorismen des Tages:

 

Oberstimme
Name
fertig

Gegenbegriff Rezipient

Halbtonschritte fungieren als Mensch

Marxistische Arrangements

Meinungsäußerung auf spannenden Einleitungen

Bequemlichkeit Einleitung vermeiden

Neuheitsgrade lächerlich trainiert

Vertonungen des „Kapitals“ und von „Mein Kampf“

Anton Wassiljew vertont weltgeschichtlich bedeutende politische Bücher.

Gemäß Marxens These, wonach alle Geschichte eine Geschichte der Klassenkämpfe ist, ist eine adäquate Vertonung des Kapitals die Herausstellung der Dialektik von Kapital und Arbeit.

in dem stück habe ich »das kapital« von k. marx sampleweise vertont. jedes wort aus dem ersten band des kapital ist in eine gleitkommazahl übersetzt, also in ein sample. und zwar so, dass die wörter “arbeit” und “geld” mit der amplitude 1.0 markiert werden. der rest bekommt einen zufälligen wert zwischen -0.1 und 0.1. so entsteht das leise rauschen.
im ersten band des kapital gibt es 286784 wörter. das wort “arbeit” kommt 1270 mal vor und das wort “geld” 423 mal.

rausgefilterte arbeit kommt von links und rausgefiltertes geld kommt von rechts:

Und hier das Kapitel „Arier und Jude“ aus Hitlers „Mein Kampf“

die ascii-werte des textes wurden in tonhöhen, dauern und lautstärken übersetzt:
buchstaben –> die höhere schicht
punkte, kommas usw. –> die mittlere schicht
leerzeichen –> ganz tiefe töne
anführungszeichen –> lange töne

(via / via)

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Aphorismen des Tages:

 

Eigentlich Frankfurt a.M.

Differenz besitzt Raum

Physiker zweifellos egal

Muster statt Beispiel

Klassische Orchestermusik über große Sekunde

Musikgeschichte frei

Instrumente sind Vermarktungsmaschinen

Donaueschinger Musiktage 2012 – Presseschau

Die Besprechungen (und zwar alle!*) meiner beiden Stücke bei den letztjährigen Donaueschinger Musiktagen – Der „Weg der Verzweiflung“ (Hegel) ist der chromatische und Split Screen Studies.

 
 

Wie die Referenz zu bestehenden Musiken — mehr noch: eine dezidierte »Musik mit Musik« – alles Imitative hinter sich lassen kann, bewies wiederum Johannes Kreidler mit seiner Komposition „Der «Weg der Verzweiflung» (Hegel) ist der chromatische.“ «Das meiste habe ich vom Computer komponieren lassen; ich habe nur geeignete Resultate ausgewählt», lässt er im Werkkommentar wissen. Diese Auslese führte zu einer Arbeit, die das Paradox der Subjektivitätsvermeidung qua Subjektivität in einem zwingenden kompositorischen Konnex auflöst. Im Gegensatz zu seinen früheren Stücken, in denen Kreidler aus lauter Freude am Konzept die Selbstähnlichkeit der Resultate bereitwillig in Kauf zu nehmen schien, kombinierte er hier Samples unterschiedlichster Provenienz und live gespielte Instrumente zu einer Musik, die nicht allenthalben den konzeptuellen Zeigefinger hochhält. Stattdessen ließ er durch die ästhetische Stringenz seines Stücks ganz beiläufig sinnfällig werden, dass die Grenzziehung zwischen «High» und «Low» im Jahr 2012 nicht länger zwischen Violoncello und General MIDI verläuft.

Michael Rebhahn, Neue Zeitschrift für Musik #6_2012

 

Dass man Technik auch sinnvoll einsetzen kann, zeigte Johannes Kreidler mit „Der ,Weg der Verzweiflung‘ (Hegel) ist chromatisch“. Mit Fremdsamples, ein paar klug eingesetzten Videos und echten Instrumenten zauberte er feinstes Ohrentheater.

Wibke Gerking, Saarbrücker Zeitung / Pfälzischer Merkur 23.10.2012

 

Weit überzeugender bei diesem Konzert mit dem Ensemble Nadar wirkt Johannes Kreidlers „Der Weg der Verzweiflung ist der chromatische“. Dem Schüler der Freiburger Professoren Mathias Spahlinger und Orm Finnendahl gelingt eine schlüssige akustische Spielform, eine perfekt gesampelte Erzählung, die zwischen virtuell eingeblendetem klassischem Neue-Musik-Ensemble und einer weit mehr mit den Möglichkeiten der Elektronik operierendem Klangkörper switcht. Für Nostalgie bleibt keine Zeit

Alexander Dick, Badische Zeitung 22.10.2012

 

„Wer bestimmt das Geschehen: der Mensch oder die Maschine?“ Das war in Donaueschingen eine um so brennendere Frage, weil rein menschenbesetzte Klangkörper beim SWR zur Disposition stehen. Aber gerade der 1980 geborene Johannes Kreidler, der You-Tube-Generation angehörend, sagt verstörend: „25 Posaunen, 108 Klaviere, kein Problem. Wenn ich 30 Gitarren brauche, nehme ich sie mir: Ich nehme sie auf, als Audio und Video.“ Völlig frei und spielerisch geht er mit dem Material um. Seine Komposition „Der ,Weg der Verzweiflung’ (Hegel) ist der chromatische“ war als kreatives Anything-Goes-Spektakel zu erleben, zusammengesetzt aus einer Menge Internet-Müll. Aber wenn das belgische Nadar-Ensemble lustvoll diese Software-Musik für auch neun reale Instrumente so spielt, dass es groovt bis zum letzten Hammerschlag auf die Flügel-Saiten, weiß man, dass der Mensch dann doch gesiegt hat über die Maschine.

Jürgen Kanold, Südwest Presse 22.10.2012

 

In Kreidlers „Der Weg der Verzweiflung (Hegel) ist der chromatische“ ist das Prinzip der Vervielfältigung mit Audio- und Videoplayback weitergetrieben. Rasende Tonverläufe der neun Instrumen-talisten des Nadar-Ensembles werden mit Fetzen von Popsongs und Lautsprecherdurchsagen verschnitten, am Schluss lässt die Pianistin einen Hammer übers Klavier sausen, die Musiker heben zwei Finger zum Victory-Zeichen in die Höhe – eine ironische Erinnerung an Kreidlers Eröffnungsaktion?

Dietholf Zerweck, Esslinger Zeitung 22.10.2012

 

Der Schwabe Johannes Kreidler quittiert den Applaus für ihn wie ein Boxchampion: mit steil nach oben gereckter Faust.

Gunter Faigle, Südkurier 22.10.2012

 

Johannes Kreidler lässt die Maschine gleich selbst die Musik komponieren. Er wählt nur noch aus dem aus, was der Computer per Zufallsgenerator ausgespuckt hat. Wem gilt nun der euphorische Applaus am Ende? Ihm oder seinem Rechner?

Armin Knauer, Reutlinger General-Anzeiger 23.10.2012

 

Doch die bloße Nutzung der Digitaltechnologie garantierte nicht automatisch auch künstlerisch gelungene Projekte. Johannes Kreidler – einer der namhaftesten Exponenten der Cyber-Generation in Deutschland – remixte einmal mehr Audio- und Videoschnipsel zu einer grellen Bild-Klang-Collage, die kaum anderes leistete als eine erneute Illustration der universalen Verfügbarkeit jeglichen Materials aus dem World Wide Web. Das hat inzwischen wohl jeder begriffen und braucht nicht ständig wiederholt zu werden. Vielmehr wäre es an der Zeit, auf der Grundlage dieser Einsicht dieses Material durch substantielle Eingriffe in seine Strukturen und Semantiken zu transformieren und – im Sinne des im Werktitel bemühten Philosophen „Der ,Weg der Verzweiflung‘ (Hegel) ist der chromatische“ – auf eine neue Reflexionsstufe zu heben. Stattdessen prallten im bunten Sample-Gewitter Klänge und Bilder unterschiedlicher Herkunft und Wertigkeit wild aufeinander, so dass sich in dieser „Musik mit Musik“ sämtliche Unterschiede nivellierten. Alles verkam zu gleich wertlosem Kulturmüll: Schlager, Klingeltöne, Gameboy-Soundanimation, Lautsprecherdurchsagen, blubbernde Elektronik, sowie gleich zu Beginn – als Abgesang auf die elitäre zeitgenössische Kunstmusik – ein Mitschnitt des Ensemble intercontemporain. Das war lustig, provokant, anarchoid, diffamierend und blieb letztlich schrecklich banal. Denn laut Kommentar des Komponisten waren „Tonhöhenverläufe nach oben und nach unten“ das Hauptthema des Stücks. Wow! Das ist doch mal was! Ein Sinustonglissando durchläuft von unten nach oben den Hörraum. Und in neobarocken Sequenzenketten werden Klang- und Sprachsamples höher oder tiefer transponiert.

Rainer Nonnenmann, Musiktexte 135

 

Johannes Kreidler mixte einmal mehr Audio- und Videoschnipsel zu grellen Bild-Klang-Collagen, die kaum anderes leisteten, als erneut die universale Verfügbarkeit jeglichen Materials aus dem World Wide Web zu illustrieren. Das hat inzwischen jeder begriffen und braucht nicht ständig wiederholt zu werden. Stattdessen wäre es an der Zeit, mit diesem Material endlich richtig zu komponieren.

Rainer Nonnenmann, Kölner Stadtanzeiger 23.10.2012

 

Auch der Komponist, Aktions- und Videokünstler Johannes Kreidler, 1980 geboren, ist um Klarheit nicht verlegen. Jede Beethoven-Aufführung sei eine Beerdigung und bei Beerdigungen werde ja oft gelogen. Die Philharmonien seien heute Altersheime und die erledigten sich biologisch von allein. Das sind typische Kreidler-Sätze, und beinahe so scharf war sein 16-Minüter „Der ,Weg ‚der Verzweiflung‘ (Hegel) ist der chromatische“.

Götz Thieme, Stuttgarter Zeitung 23.10.2012

 

… ein virtuoses Experimentieren Johannes Kreidlers mit der Musikalisierung von Bildern durch Rhythmisierung und Vervielfältigung („Split Screen Studies“), …

Susanne Benda, Stuttgarter Nachrichten 23.10.2012

 

Der schon erwähnte Johannes Kreidler produziert in „Der ‚Weg der Verzweiflung’ (Hegel) ist der chromatische“ ein ungeheures Gemisch aus Elektronischem, U-Musik in Schleifen, auch Texten und Einzelinstrumenten in Schleifen, aber alles sehr genau kontrolliert, zusammen auch mit Bildprojektionen: komplex und überzeugend.

Fritz Muggle, Schweizer Musikzeitung

 

Wenn einer das Computer-Metier jedoch so perfekt und mit kühl-schnoddrigem Intellekt beherrscht wie Johannes Kreidler, entsteht trotz Fremd-Samples und Zufallsgenerator ein zeitsymptomatisches Gebilde mit Substanz. Allerdings ist Bildung gefordert, denn man wird auf Stanley Kubrick, Xenakis, Günther Anders und Lachenmann verwiesen, und der Titel zitiert Hegel: „Der ‚Weg der Verzweiflung‘ ist der chromatische“. Der Komponist selbst sagt, eigentlich solle man nicht nur ihn nennen, denn das meiste habe er vom Computer komponieren lassen.

Lothar Knessel, Österreichischer Rundfunk Zeitton 5.11.2012

 

Im selben Konzert des jungen Nadar Ensembles wurde dann auch ein neues Werk Kreidlers uraufgeführt: Der «Weg der Verzweiflung» (Hegel) ist der chromatische für neun Instrumente, Audio-und Videaplayback. Piratenmässig integrierte er visuelle und akustische Samplers in die Musik, «störte» damit den musikalischen Verlauf und brach die ästhetische Einheit auf. Die formale Gestaltung ist da eher schwächlich ausgeprägt – und das zu Recht, denn formale Geschlossenheit würde die Zerrissenheit aufheben und den Clash abmildern. Um diesen Zusammenprall ästhetischer Welten scheint es aber Prins und Kreidler zu gehen. Das ist das Neue.

Thomas Meyer, Dissonance 120 Dezember 2012

 

Mestarillisen Nadar Ensemblen konsertista jäi mieleen myös avajaiskonsertin skandaalista vastanneen Johannes Kreidlerin uutuusteos. Ölen jo pitkään seurannut nuoren Kreidlerin uraa, ja ilolla totesin hänen nyt nostaneen kokeellisen, pop-musiikin sämplejä, videokuvaa ja äänimanipulaatioita viljelevän keksintänsä uuteen huippuun teoksessa Der „Weg der Verzweiflung“ (Hegel) ist der chromatische (2012). Media-ja performanssitaiteen puolelle laajentava säveltäjä, joka on erityisen kuuluisa hauskoista YouTube-videoistaan, osoitti siinä osaavansa myös ensemblesäveltämisen haasteet. Karkeasti kuvattuna Kreidlerin lähtökohtana on ottaa musiikin pienimmäksi rakenneyksiköksi sävelen tai muun yksittäisen äänen asemesta sample. Kyse on siis pitkälle viedystä remix-taiteesta.

Jarkko Hartikainen, Amfion.fi 29.10.2012

Übersetzung von Hartikainen (danke!):
What was also stuck in my mind from the masterful concert by Nadar Ensemble, was the new work by Johannes Kreidler, the man responsible for the scandal at the opening concert. I’ve followed the young Kreidler’s career for quite some time now, and I was happy to see him elevate his experimental inventiveness, rich in pop music samples, video and sound manipulations, to new heights in the work Der “Weg der Verzweiflung” (Hegel) ist der chromatische (2012). The composer who has expanded into media and performance arts, and who is famous for his funny YouTube clips, showed his competence in composing for ensemble. Roughly speaking Kreidler’s point of departure is to take, instead of a tone or another single sound, a sample as the smallest building block of music. So the issue at stake is an advanced remix art.

 

Herausragend auch die Arbeiten von Johannes Kreisler, der neben der Installation „Split Screen Studies“ ein Ensemblestück für Klavier, Schlagzeug, Flöte, Saxophon, Geige, Cello und Gitarre sowie Audio- und Videoplayback komponiert hat. Es trägt zwar den etwas großspurigen Titel „Der ,Weg der Verzweiflung‘ (Hegel) ist der chromatische“, fällt aber, im Gegenteil, durch kurz getaktete, konzentrierte Aussagekraft. auf, dreist alles zusammenklebend, was in Sachen Video- oder Computerkomposition an banal eingeschliffenen Hör- und Seh-Erwartungen vorkommt: Alles nur geklaut, nichts passt mehr zusammen.

Eleonore Büning, Frankfurter Allgemeine Zeitung 25.10.2012

 

*(Der SWR hat allen Beteiligten den kompletten Pressespiegel des Festivals geschickt)

Das Bauhaus-Schachspiel

Wunderbare Idee vom Bauhaus-Bildhauer Josef Hartwig: Ein Schachspiel, dessen Figuren die ihnen erlaubten Spielbewegungen verkörpern.

Früher auf Kulturtechno: Schachspiele

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Aphorismen des Tages:

 

Wilhelm Fricke hört eine Gelegenheit

Ungeschickte behavioristische Differenz

Melodie Reflexion ff.

Können 904-938

Was Europa besprungen steht:

Der Lagerlöffel Qualität

Polyphonie ohne Melos