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Industrialisierung der Romantik, Trailer#2

Die Premiere ist gelaufen – jetzt kommt ihr alle in die schöne Stadt Halle an der Saale, am 8.11.2016!

http://buehnen-halle.de/das_kunstwerk_der_zukunft_2

Meine Texte „Semantische Explosion“ & „Über Provokation“ erschienen

Aus der Textschmiede: Jüngst sind zwei Text von mir gedruckt worden-

„Semantische Explosion“
in Positionen 108
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Neue Musik und Digitalisierung – da war doch mal was. Nachdem es in den Jahren 2008 bis 2012 die Debatte gab, die einige Wellen schlug, gibt der zeitliche Abstand Möglichkeit, die Dinge jetzt umfassender einzuordnen und zu bewerten. Derweil hat sich die Geschichte weitergedreht: Den schlimmsten Auswuchs der Digitalisierung erleben wir seitdem mit der massenhaften Telekommunikationsüberwachung, die Edward Snowden 2013 aufdeckte. Immerhin wurde auf diese sehr ernste Gefahr in dem Buch Musik, Ästhetik, Digitalisierung – eine Kontroverse zwischen Claus-Steffen Mahnkopf, Harry Lehmann und mir 2010 bereits hingewiesen, sogar an vier Stellen – aber bezeichnenderweise vier mal nicht vom Lager der Digitalisierungsskeptik, sondern von der Seite, die das Potenzial der Digitalisierung sieht.

„Über Provokation“
in Seiltanz 13
Snip:

Ich würde nie den Anspruch erheben, provozieren zu wollen. Provokation kann passieren, man kann sie sich im Stillen wünschen, aber ganz sicher uneinlösbar wird es, wenn man auf die Bühne mit der Parole tritt »So, jetzt werdet ihr provoziert!« Dann wappnen sich alle mit Panzerglas und wollen wenn überhaupt sich nur daran delektieren, wie es die anderen reizt, selber vielmehr steht man unbedingt drüber. René Pollesch äußerte einmal zum Thema Wirkung, die Zuschauer fragten sich ja meistens nicht, ob es auf sie wirke, sondern ob auf die andern. Provozierte hingegen erwischt man auf dem falschen Fuß, Provokation ist Infiltration, Überraschung und Überrumpelung, Überforderung, wirkliche Herausforderung von Moralvorstellungen. Provokation heißt Reaktion; dass jemand etwas tut oder denkt, was zuvor von diesem so nicht beabsichtigt war. Jedenfalls heißt es schlussendlich dann allenfalls, dass das (für jemand anderes) provokant gewesen sei. Keineswegs aber wird Provokation derart manifest, dass einer sagt: ›Ich wurde provoziert!!‹

Mein Hörspiel „Listomania“ heute auf HR2-Kultur

Heute abend um 23.03h sendet HR2-Kultur mein neues und erstes Hörspiel – „Listomania“.

http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=53529&key=standard_document_60941436&xtmc=kreidler&mtype=d&xtcr=1

Jedem Begriff liegt eine Liste zugrunde. Ideen von Listen, Listen von Ideen; eine Theorie des Konzeptualismus und der Unendlichkeit.

Eine Idee ist das ‚kleinste mögliche Ganze‘ (Robert Musil), unteilbar, aber endlos multiplizierbar. Es gibt immer Varianten, an jeder Stelle Unendlichkeit. Varianten lassen eine dahinterstehende Idee erkennen – ohne dass diese selber ausgesprochen würde. ‚Was Sie jetzt nicht sehen können‘ heißt es entsprechend immer wieder: das unbenannt Dahinterstehende, das nur in Beispielen auftritt, aber selber unausgesprochen bleibt, unaussprechbar bleibt. Aus der Masse der Beispiele ein Konzept abstrahieren, das gleichfalls ungreifbar bleibt: von einer Unendlichkeit in die andere, es sind der Unendlichkeiten unendlich viele, selbst am Ende, im Tod.

Mit Johannes Kreidler, Arno Lücker, Esther Kochte und O-Tönen aus den ARD-Archiven

Livestream:
http://www.hr-online.de/website/static/streaming_popup/mp3streamer.jsp?client=hr2

Trailer „Industrialisierung der Romantik“

Am 1.11. ist die Premiere meines Musiktheaterstücks „Industrialisierung der Romantik“ an der Oper Halle. Hier der Trailer.

Links in eigener Sache

Der polnische Musikwissenschaftler Mariyn Rychter hat bei der International Conference o Radical Future and Accelerationism 2016 über meine Arbeit mit Zeitkompression gesprochen.

Beim „Wirklichkeiten“-Kongress in Stuttgart gab es eine Podiumsdiskussion mit Judith Siegmund, Gordon Kampe und meiner Wenigkeit, moderiert von Christian Grüny, über mein Stück „Fremdarbeit“.

Das Nadar-Ensemble, mit dem ich künstlerisch seit fast von Anbeginn verbunden bin, hat anlässlich seines 10. Geburtstags eine Schallplatte gemacht mit neuen Stücken seiner Stammkomponisten. Darunter mein Stück „!-Pieces“.

Von meiner 5stündigen Performance beim Warschauer Herbst letztes Jahr gibt es ein paar Videoaufnahmen.

In der aktuellen Ausgabe der englischsprachigen Musik-Zeitschrift „Tempo“ steht der Aufsatz „Here comes newer Despair. An aesthetic primer for the New Conceptualism of Johannes Kreidler“ von Max Erwin.

Für das australische Ensemble „Speak Percussion“ stand ich für drei Education-Videos zur Verfügung (1 / 2 / 3). (Dazu auch Aus Tralien #14)

In der Neuen Zeitschrift für Musik ist in der aktuellen Ausgabe ein Gespräch zwischen Sergej Newski und mir abgedruckt.

In der Opernzeitung der Oper Halle ist eine Gespräch zwischen mir und dem Chefdramaturgen Michael von zur Mühlen abgedruckt sowie eine Notationsgrafik. Das Ganze in Vorbereitung meines Stückes „Industralisierung der Romantik“, das dort am 1.11. Premiere hat.

Two Pieces for Clarinet and Video

Johannes Kreidler
Two Pieces for Clarinet and Video (2016)
Carola Schaal, Clarinet
Premiere at Sound and Music Computer Conference Hamburg, 2.9.2016

Die nächste Aufführung ist am 27.10. in der Galerie Pankow Berlin.

Aus Tralien #22

Brisbane 28.8.
Wortspiele. Versuche englische Neuschöpfungen: Vitamisation. Uselessisation. „Please make yourself useless“. Can we uselessize this object for a while?

Ausflug in Brisbane. An einen See in den Bergen, dort nimmt unsere Gruppe ein Nacktbad. Ein Adler fliegt übers Wasser; eine sagt, das sei schon der zweite, den sie in meiner Nähe sieht die Tage, das sei selten, der Adler müsse mein >Totem< sein. Leo meinte sowas auch vor Jahren, das >Krafttier<. Derrida bringt in >Glas< Hegel mit Aigle zusammen. Eukalyptuswälder, in denen Kakadus krass schreien. Ich sammle nun Feldaufnahmen für den Hessischen Rundfunk. Joel erinnert an Herzogs Wort: „They don’t enjoy themselves. They constantly scream in pain because of the terrors of nature.” Brisbane ist wesentlich tropischer, die Häuser aus Holz, genannt >Queenslander< und >Weatherboard<. Haie seien Tiere, die nicht schlafen, müssen sich immer bewegen. Theorie: Darum sind sie immer schlecht drauf, weil unausgeschlafen, darum aggressiv und reißen Menschen. Würde Haie schlafen, sie würden nur Tofusurfer mampfen. Im Museum für moderne Kunst, schöne Aborigine-Arbeiten. Fast keine Zeit, wieder mal ein Reenactment von Bande à part. Bäume im Wasser, deren Wurzeln nach oben wachsen, aus dem Wasser heraus, um Luft zu bekommen. Ein letztes Essen, Abschied. Flug. Perlen vor die Säue, aber zeitlich: Um 16h werfen wir Perlen, bevor den Säuen. Im Flugzeug 29.8. Beim Anschlussflug >gradet< man mich >up< in die Businessclass. Aber als Upgrader ist man doch Zweitklässler unter Erstklässlern. Das Essen bekomme ich zuletzt, ich kann nur aus den Resten aussuchen, die die anderen nicht bestellt haben. Soziale Aufsteiger steigen eben nie restlos auf. Im Flug ein scheußlicher Albtraum, dass ein Familienmitglied verrückt geworden ist, wir sitzen im Auto und sie greift von hinten plötzlich ins Steuer. Träume sind einfach immer schlecht. Ich will diesen Scheiß nicht träumen. Ich möchte mein Unterbewusstsein verklagen für die Schäden, die es meiner Lebensqualität antut. Wie leben in einem Rechtsstaat, es müsste für alles den Rechtsweg geben, für schlechte Träume, Krankheiten, verflossene Liebe, das schlechte Wetter. >Kritik des Traumes< Es fällt mir schwer, Eardrops reinzudrehen, möchte die Ohren nicht zugestopft bekommen. Wie schon beim Hinflug eine scharfe Kurve um Syrien herum. Trauer denken. Drei Akkorde. Fern der Weinerlichkeit das generell und konkret Bedauerliche bedenken. Vor genau 10 Jahren bin ich nach Berlin gezogen. Damals dachte ich, der Hype des Berlin-Zuzugs sei vorüber. "Die Zukunft kann nur den Gespenstern gehören. Und die Vergangenheit." (Derrida) Links: Bande à part, Louvre scène

Aus Tralien #21

Brisbane 27.8.
Ein Musiktheaterprojekt mit Behinderten. Eine maximal kitschige Geschichte vom unglücklich Verliebten; am Ende hat der Behinderte eine hübsche Freundin und man hofft, dass dieser Kitsch am Ende als solcher denunziert wird.
Man hofft, dass es sadistischer wird, denn so ist es zu sadistisch.

Das Problem, dass man als Künstler das Amoralische sucht und beim Kapitalismus fündig wird.

Schreien auf der Bühne, Existenzialismus auf Knopfdruck, so was nehme ich nicht ab, da helfen auch 110dB nicht gegen die absolute Lautstärke der Geschichte. Dieser Schrei findet nicht statt, um mit Baudrillard zu sprechen.

Werktitel „Kunst“

Nachdem mein Set in Sydney schon ziemlich Comedy war, war es mir in Brisbane ein Anliegen, wenigstens im zweiten Teil das Publikum zu quälen; habe mein Nummerierungsstück auf 20 Minuten ausgedehnt. Alternative wäre gewesen, so lange zu zählen, bis alle gegangen sind, aber es gibt ja immer Hardcore-Fans, die sich partout nicht vertreiben lassen. In Audioguide gab es mehrere im Publikum, die die vollen 7 Stunden nicht aufgestanden sind.
Auch wenn das Publikum in den drei Städten (Melbourne, Sydney, Brisbane) ja jedes mal anders war, wollte ich trotzdem nicht drei mal dasselbe spielen. Zumindest ich bin ja bei allen dreien anwesend, aber auch die Kuratoren. Und der liebe Kunstgott.

Paradoxerweise filtere ich als Musiker viel Musik aus im Täglichen.

Es könnte doch mal Mode werden, dass man links und rechts verschiedene Schuhe trägt. Mode Könnte viel innovativer sein.

Links:
LA in Brisbane
Nietzsche-Lesung
Kinski-Lesung

Aus Tralien #20

Brisbane 26.8.
Danni ist wieder supergeil im alles Sexualisieren, „I’m on a high sex-drive“. Beurteilt im Auto auf dem Weg zur Unterkunft erst mal die Sexyness des AirBnB-Anbieters. „Surely he is gay.“

Shutter Piece
Chateau Piece

Hier gab es mal einen Punkschuppen namens >Library of radical thoughts< - seine Mitglieder nahmen Bücher radikaler Denker aus anderen Bibliotheken mit, gaben sie >zurück< in ihre >Library<. China bekommt seine ganze Kohle aus Australien. Die Wolke über Peking war vormals unter der Erde in Australien. Kunst und Kabarett. Der Berliner Frühexpressionismus hielt seine Lesungen ebenso in Cabarets ab wie die Wiege von Dada ein solches Etablissement war. Daher eine schöne Tradition, dass Fremdarbeit hier auf einer Kabarettbühne gemacht wurde. Gespräch über den Wert von Dokumentation. Joel und Danni zeigten in ihrem Vortrag das Werk einer taiwanesischen Künstlerin, die sich selber nach initialer Zündung schleunigst aus dem Projekt stahl; ich dachte bei der Präsentation, wow, tolles Kunstwerk, die Autorin als Vakuum; dann lautete der erste Kommentar, dass das völlig ätzend war und selbst Joel und Danni pflichteten dem bei. Aber im Nachhinein, in der Erzählung, auf der Dokumentation, da wirkt es kühn. So hat Herzog sich sein halbes Filmwerk hinterher zur Legende gebogen. Ich soll das Alter von jemandem schätzen, liege ziemlich daneben, dachte, sie sei älter als ich, aber ich weiß eben auch nicht, wie alt ich bin. Wieder zum Applaus. Ich möchte nicht Dinge machen, die nach 10 Sekunden schon beurteilbar sind, nicht Dinge machen, die sofort von Applaus verzehrt werden können. Und schon gar nicht etwas, worauf man mit einer Konvention reagiert. Buster Keaton sah im Alter genauso aus wie als junger Mann, ganz anders als Chaplin, den man im Alter kaum wiedererkennt. Keatons steinernes Gesicht war wirklich steinern über Jahrzehnte. Diskussion über den Unterschied zwischen dem Publikum die Augen zu verbinden und es in Stockdunkelheit zu setzen. Ersteres wirkt wie ein direkterer Eingriff, aber dafür können sie die Binde im Notfall runterreißen. Über Narration. Mein Definitionsversuch aus dem Stand: Narration ist chronologische Bedeutungsherstellung, eine Kette von Ursache-Wirkung. Später kramt die Diskussionspartnerin, die darüber ihren phd schreibt, ihre Definition heraus, die sich ziemlich damit deckt, nur das habe ich nicht bedacht: Narration hat immer Akteure, Subjekte. Man erwarb einige Konzeptualistica.

Aus Tralien #19

Sydney 25.8.
Ausflugstag. Gang ums Opernhaus. Auch jetzt wirkt es relativ klein, nicht nur wegen der Wolkenkratzer im Hintergrund, sondern überhaupt für ein Opernhaus. Trotzdem: das tollste Bauwerk, das ich je gesehen habe, die Lage direkt am Meer, und diese aufwändige Muschelform. Es ist anders als alle anderen Gebäude, völlig speziell, man ist einfach fasziniert, kann sich nicht sattsehen daran. So ein Haus baut man eigentlich nicht, das sieht alles nach einem sagenhaften Luxus der Verschwendung aus, diese funktionslose Dachkonstruktion. Auch nett: In dem Meer ums Opernhaus herum schwimmen Haie. Die wilde Schönheit der Gefahr. Ob da schon jemand zwischen dem 2. und 3. Akt von Aida mit dem Schampusglas reingestolpert ist.

Danni weint wegen des schlechten Symposiums in Melbourne, und dass auch das Sydney-Symposium in den Händen von Liquid Architecture hätte stattfinden sollen, sowieso, eigentlich hätte es ein großer Kongress zum Neuen Konzeptualismus werden sollen. Sie ist so nah am Wasser gebaut wie das hiesige Opernhaus.

Von einer Aussichtsplattform schauen wir Surfern zu.
„Wie könnte man diese Surfer dort im Wasser sonifizieren?“
-„Indem man von einem Helikopter aus 100 Gitarren auf sie abwirft.“

Fahrt mit dem Schiff zu einer vorgelagerten Landzunge. Die Stadt hat sich um die verschlungene Bucht angesiedelt, es sieht sehr schön aus. Wir steigen auf Felsen hoch bis auf ein Plateau, auf dem sich ein kleiner Regenwassersee findet, in dem wir waten. Eine Eidechse, größer als ich je eine gesehen habe – die Australier sagen, diese sei klein. Weiter finden wir ehemalige Militäranlagen aus dem Zweiten Weltkrieg, und später rasten wir neben vielen Kakadus. Zwischenzeitlich hält uns eine Ratte an einem Aussichtspunkt auf Trab.

Bei Sonnenuntergang mit der Fähre zurück Richtung Opernhaus. Die Leute kommen aus dem Fotografieren nicht mehr raus. Selbst ich Nicht-Fotograf werde schwach.

Abends bei einer Ausstellungseröffnung, mit viel Nacktheit, irgendwas mit „Body“ ist das Thema. Eine Installation mit Filmen lauter männlicher Pornodarstellerr, die im >White Cube< wichsen bis zum Abspritzen. Es ist verstörend; im Essay, der demnächst in Seiltanz erscheint, habe ich geschrieben, dass Nacktheit etc. immer noch eine Provokation ist. Außerdem in der Ausstellung: Riesige Fotos schön bemalter Muschis; ein Künstler, der superqueeres Zeug macht, aber dazu sagt, es sei nicht queer, man solle das nicht so lesen. Danni findet das blöd, ich nicht. Siehe Jonathan Meeses Umdefinition des Hitlergrusses: geht natürlich nicht, darum geht erst recht, es zu behaupten.

Dann Treffen mit zwei Studierenden aus dem polnischen Kurs. Auch hier wieder das Thema der starken Assimiliationsleistung der australischen Immigranten. Erstes Gebot bei Ankunft aus dem Sowjet-Terror, aus Nazi-Deutschland, aus Italien: Ab heute sind wir Australier; während heute die Deutschtürken in der dritten Generation noch unter sich bleiben. Ob das in Deutschland am fehlenden Nationalgefühlsangebot liegt, am Rassismus gegen Fremdarbeiter, oder in Australien wiederum an der Abgrenzung gegen die Aborigines, an der Lage ab vom Schuss, oder weiß noch was für Faktoren – im Resultat ist es eine extreme Diskrepanz.

Links:
The Phonobomb of the Opera