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Online-Petition zur GEMA-Reform

Gulli berichtet über eine gestartete Online-Petition zur Reformierung der GEMA. Ich habe unterzeichnet, trotz grundsätzlicher Bedenken zu Online-Petitionen, und in dem Fall trotz meiner Skepsis, was der Gesetzgeber da richten soll, die GEMA ist zunächst ein selbstorganisierter Verein (bei dem allerdings nur die gut Verdienenden abstimmen dürfen; nicht zuletzt darum habe ich mit anderen Mitteln mich bei der GEMA zu Wort gemeldet *g* ). Außerdem kann ich einfach nicht glauben, dass sich nötige 50 000 für die GEMA interessieren.
Wie dem auch sei, es zeigt sich erneut, dass der Wunsch nach GEMA-Reformen immer lauter wird.

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Krebs

Schöne Visualisierung von Bachs Krebskanon aus dem „Musikalischen Opfer“:

via Glaserei

Compression Sound Art

Compression Sound Art

Kommentierte Klänge – Hören zum Mitlesen: Musikalische Zip-Files.

Sämtliche Symphonien Beethovens in einer einzigen Sekunde, komplette Filme in einer halben Sekunde, alle Songs der Beatles in einer Zehntelsekunde – Zeit ist relativ! In der Ära der komprimierten Datensätze, zu Milliarden durch die Glasfaser kopiert, kommuniziert der postmoderne Mensch nur die kurzen Metadaten: Links und Icons, Tweets und RSS-Feeds. Während wir ein leises Kühlerrauschen vernehmen, werden Millionen Rechenvorgänge für uns getätigt.

Die heiligsten Kühe sind kleine Zahlenpäckchen. Großes Kulturgut (Beethoven), Schlachtrösser der Musikindustrie (Beatles), dicke Literaturschinken (Proust), die Schriften der Weltreligionen, sie alle sind heute Daten auf einem winzigen Chip, ihre Icons nur ein paar Pixel nebeneinander. Es gibt nichts mehr allein und neutral, alles hat seine Beschreibung und seinen wandelnden Kontext. Und ein Icon, eine Zusammenfassung genügen für’s Vokabular des Informationsmenschen, wie die französischen Philosophen schon länger wissen: Das Zeichen wird wichtiger als das Bezeichnete, den Rest kann man sich denken bzw. schenken („Filesharing“) oder bei Bedarf einsehen, in der großen Bibliothek da hinterm Ortsschild Google.

Komprimierung. Mp3 ist die neue Bescheidenheit, alle rücken näher zusammen, dann haben alle Platz; es gibt halt so viel! Daten werden gerafft, codiert, verschlüsselt – auch illegale Technologie (DVD-Rip-Code), illegal anwesende Körper (Einwanderer) und 130 000 wahrscheinlich nicht so legal bezogene Songs werden zum Klang entschärft, als Beweismittel untauglich (Gruß Herrn Gorny und Herrn Schäuble!), während sich die Milliardenverluste der Banker zum Ballerspielsound entladen lassen. Score.

In Kürze Gewürze. Am Ende des Lebens läuft nochmal der ganze Film ab, innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde, aber vielleicht ist auch das, was uns wie das eigentliche, lange Leben vorkommt nur eine ausgedehnte Sekunde: Bestenfalls sind wir Eintagsfliegen für die anderen Sternenwesen. Doch was sich alles in einer Sekunde abspielen kann, welche Romane und Dramen in jedem Augenaufschlag passieren und was alles Dämonisches in dem einzigen Wort „Reich“ steckt, wenn Hitler es ausspricht.

Gimme more, one more time! Zudröhnen mit der Wiederholungsschleife, jetzt geht’s viel effizienter, der Refrain des Digitalen kommt in höherem Takt, mehr ist mehr! Ein happy Häppchen-Happening!! Adorno sagte einst, Musik, die schon bekannt ist, solle man schneller spielen. Hier sind sie nun, die neuen Tempi, hier ist die Ästhetik der großen Zahl. Beethoven instrumentalisiert, Stille Nacht instrumentiert.

Aber geben wir uns mit dem Klang auch Mühe, es muss nicht alles digital entwertet sein. Beispielsweise wurde noch nicht die Ostermesse des Papstes auf einer hochwertigen Latexhaut als Membran ausgegeben (mit Noppen als Hochtöner). Oder wieviele Menschen ließen im Irak ihr Leben für eine halbe Sekunde Sound. Halleluja! Weitgereiste Ofenrohre, riesige Mühe für einen einzigen kurzen Klang, diesen Luxus bekommt der, der’s glaubt. Schenken wir Glauben? Sonst ist alle Musik neutral. Aber noch der Mp3-Code, der perfide Computervirus der die Musikindustrie wegrafft, kann selbst hörbar gemacht werden. Klang ist Code und Code ist Klang.

Das Psychogramm des digitalen Menschen ist seine Playlist, die Linkliste sein Hallo. Es sind die Mischungen, die interessant sind, destilliertes Wasser schmeckt nicht. „Ohne die Vermischung der Geister kann keine Liebe entstehen.“ (Ferdinand Santanelli, „Geheime Philosophie oder magisch-magnetische Heilkunde“, Neapel 1723). Jedes „Re-Entry“ (Luhmann) ist ein Fest, denn im Digitalen gehen viele Söhne verloren. Mash-Up ist Flirt, Liebe, Leben. Feiern wir nun einen polymetrischen Tanz in Hyperintervallen.

Playlist:

  • Sämtliche Symphonien Beethovens, abgespielt in einer Sekunde.
  • Sämtlich Songs der Beatles, abgespielt in einer Zehntelsekunde.
  • Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Hörbuch abgespielt in einer Sekunde (Hommage à Monty Python’s Flying Circus, Episode 31).
  • 130 000 Songs, abgespielt in vier Sekunden.
  • Tonspur von Rambo 3, abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Tonspur eines kompletten Pornofilms, abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Tonspur von Und täglich grüßt das Murmeltier, komprimiert auf einen Beat.
  • Britney Spears: Baby one more time, abgespielt zehn Mal in einer Sekunde.
  • Britney Spears: Gimme more, abgespielt 400 Mal in einer Sekunde.
  • Ein hoher Ton, abgespielt durch den Kehlkopf eines illegalen Einwanderers.
  • Der Mp3-Codec, als Wellenform ausgelesen
  • Die Aktienkurse tausender Banken, melodisiert für Computerspiele.
  • Der Papst, abgespielt auf einem Kondom als Membran.
  • Die Bibel (als Hörbuch), abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Der Koran (als Hörbuch), abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Die Tora (als Hörbuch), abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Das Gesamtwerk Nietzsches (als Hörbuch), abgespielt in einer Drittelsekunde.
  • Alle vier vorigen zusammen.
  • Immanuel Kant: Kritik der reinen Urteilskraft, abgespielt 22 000 Mal in einer Sekunde (nur für Fledermäuse hörbar).
  • Aufnahme einer Explosion, so viele Mikrosekunden lang abgespielt wie es Tote im Irakkrieg gibt (1.4.09).
  • Hitler spricht das Wort Reich, zwölf Mal langsamer abgespielt.
  • Der Code zum illegalen Rippen von DVDs, als Wellenform ausgelesen.
  • Die Aufnahme eines Ofenrohrs, das 1972 von Neuseeland aus Alaska importiert wurde, wo man es mit einem Benzinmotor 574 mal pro Sekunde in Schwingung versetzte; die Aufnahme davon wurde 2003 mit einer gehackten Software auf einem alten Ataricomputer manipuliert und gefiltert.
  • Ein Klang über dessen Enstehung niemand je etwas erfahren wird.
  • Ein völlig neutraler Ton ohne jede Bedeutung.
  • Compression Sound Art, abgespielt 3000 Mal pro Sekunde.
  • Mit Dank an Martin Schüttler.

    Johannes Kreidler, Mai 2009

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    CU later

    Konzert in Köln lief prima, besten Dank an Diogo am Klavier und Michael an der Kölsch-Tequila-Bar!

    Bin dann mal weg auf der „Pfingsttagung“ in Reichenow, da halte ich einen Vortrag über „musikalische Aktionskunst“. Montag abend kommt dann hoffentlich endlich das neue Stück auf YouTube. Kulturtechno wird berichten.

    Hitler als Producer

    Wunderbar selbstreferentielle Parodie des Untergangs, jetzt geht’s um Kunstfreiheit. Ab ins Museum für moderne Kunst!

    (via)

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    Kreidler @ Köln

    Bin heute und morgen in Köln, wo ich auf Einladung von Michael Beil an der Musikhochschule (heute 15.30h) im Elektronischen Studio ein Seminar über das Klavierstück 5 halte; selbiges Stück wird morgen abend (19.30h) dann in der Hochschule (Konzertsaal) aufgeführt. Anwesenheitspflicht, sonst gibt’s keinen Schein!

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    Zukunftstheorie des Tages

    Allenthalben ist im Internet davon zu lesen, dass der Werbemarkt im Online-Geschäft überhaupt gar nicht an die Einnahmen aus Print bzw. Fernsehen rankommen. Turi2 ist dafür das Fach-Blog.

    Bekanntlich ist einer der größten Seiten im Netz, YouTube, erst recht nicht profitabel, und das trotz Millionen Nutzer. Die Theorie ist nun: Dass man sich trotz Unwirtschaftlichkeit um das Ding mit Millionen Nutzer reißt, liegt immer noch an dem Denken in der alten Logik, dass so viele Nutzer einfach Geld bringen MÜSSEN. Was aber, wenn sie es einfach doch nicht tun, und selbst wenn es Milliarden wären? Dann schließt man YouTube, und dann gibt es einen riesen Aufschrei, denn es ist ja Kulturgut, und dann wird YouTube verstaatlicht.

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    Into no brain

    Mir geht gerade das Messer in der Hose auf, wenn ich Starkomponist Jörg Widmann darüber schwafeln sehe, was er nichts zu sagen hat zu seiner Deplatzierung seinem Aufenthalt in Dubai im Rahmen des Projekts „into“, bei dem Komponisten in bestimmte Städte geschickt wurden, um sich kompositorisch mit ihnen zu beschäftigen.

    Dubai ist 1. eine riesige Spekulationsblase (siehe hier) und 2. ein Ort extremer Ausbeutung (siehe hier). Erst heute habe ich mich mit Christian von Borries unterhalten, der zwei mal in Dubai war für einen Dokufilm, und der erzählt hat von den Gastarbeitern, die die Hochhäuser bauen weil sie für ihre Arbeit da ein paar Groschen mehr kriegen als in Pakistan, auch wenn sie in Dubai ebenfalls in Slums ohne fließend Wasser wohnen müssen, und die jetzt, wo die Blase platzt und sie nur noch unnützer Menschenmüll sind sofort ausgewiesen werden usw.

    Naivling Widmann tangiert das natürlich nicht und komponiert in seinem Appartment mit Konzertflügel Wiener Walzer.

    Meine ursprüngliche Reaktion nach zwei, drei Wochen auf all das Neue und Fremde war ja auch die, dass ich plötzlich diesen skurrilen alpenländischen Walzer geschrieben habe und überhaupt sehr kurze, aphoristische Stücke. Es ist eine seltsame, aber für mich heute nachvollziehbare Reaktion: Man vergewissert sich des Eigenen. Genauso, wie es einen unter Umständen zuhause woandershin in die Fremde drängt, so trieb es mich in der Fremde zum Eigenen.
    Ich habe hier auf der Klarinette unendlich viel Mozart gespielt, auch auf dem Klavier Mozart, Schumann und Brahms und Berg.

    (quelle)

    Genau, flüchte dich in die große abendländische Musik. Mit ökonomischen Ungleichheiten, mit Wohlstand auf Kosten von ausgebeuteten Gastarbeitern etc. hat die Kunst ja nichts zu tun. Vergewissere dich ja deiner eigenen Identität, die dort an der Schnittstelle zwischen erster und dritter Welt sonst bedroht werden könnte. Hoffentlich platzt die Blase Jörg Widmann bald.

    (Film-)Kulturgut retten

    Sehr vorbildliche Initiative von Martin Scorsese:

    Mit seiner Stiftung „World Cinema Foundation“ verhilft der Regisseur Martin Scorsese vergessenen Streifen zu altem Glanz. Jetzt sorgt er dafür, dass sie auch von möglichst vielen Filmliebhabern gesehen werden – im Internet.

    Mit Freude stöbere ich zur Zeit auch in den Archiven des Mozarteums.

    Mendelssohn

    Die klassische Musik und ihre Theorie kommen in hier immer etwas zu kurz, dabei ist das eine fester Bestandteil meiner Arbeit. Gerade als betonter Avantgard, der den Anspruch hat, dezidiert Neues in die Welt zu setzen, ist mir unerlässlich, die ganze Musikgeschichte und -Theorie zu kennen, und ich unterrichte sie auch sehr gerne. Außerdem sind es schlicht Geschenke, die die großen Meister hinterlassen haben, und jeder der Musik mag ist dumm, wenn er diese Geschenke ausschlägt.

    An dieser Stelle sei jetzt auf das heute beginnende Mendelssohn-Festival der Musikhochschule Rostock verwiesen mit einem sehr schönen Programm.

    Felix Mendelssohn Bartholdy ist ein Phänomen. Er hat wunderbare Musik geschrieben, und war zu Lebzeiten schon weltberühmt; trotzdem nennt man ihn erst in der zweiten Reihe, etwa hinterm Zeitgenossen Schumann. Was ist an Schumann besser? Ich glaube es war zunächst die ökonomische Situation, Mendelssohn war von Haus aus steinreich, während Schumann zwar nicht so schlecht situiert, aber doch nicht derart gut gebettet war. Später musste er auch noch acht Kinder durchbringen. Schumann kämpfte außerdem gegen Psyche und Körper zeitlebens an, und diese Spannungszustände fehlen in der durch und durch bürgerlichen Musik Mendelssohns, das vermisst die Musikgeschichte offenbar. Schumann hingegen verkörpert in Reinform den romantischen Geist in Höhen und Tiefen. Nichtsdestotrotz gibt es einige Werke Mendelssohns, die sich daran messen lassen können, etwa die „Variations sérieuses“ oder den „Sommernachtstraum“, den „Elias“ und das Violinkonzert.

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