Skip to content
 

Kleine Weltreise – Tagebuch #28

Monty Pythoneske Performance: Ein Musiker ging mit mir durch das labyrinthische Staatstheater und später in der verwinkelten Stadt, aber aus Höflichkeit ließ er mich ständig vorausgehen – kenne ich denn den Weg?!

Che Guevara firmiert als „Großer“ des Landes neben Evita, Borges und Piazzolla auf Restaurantspeisekarten. Wusste nicht, dass er Argentinier war. „Che“ ist hier ein Grußwort. Ernesto Guevara hatte noch mal Bolivars Traum von den Vereinigten Staaten von Südamerika.

Gleich fällt einem auf, dass es in Argentinien nahezu keine Schwarzen gibt. Nicht, dass es hier früher keine Sklaven aus Afrika gegeben hätte, zwischenzeitig bestand ein Drittel der Bevölkerung aus ‚Negersklaven‘, aber viele der Männer fielen in Kriegen wie dem großen lateinamerikanischen Krieg (Paraguay), während man die schwarzen Frauen, anders als in den USA und Brasilien, als Partner nicht schmähte; hoffentlich kann man auch sagen: vice versa. Das schwarze Pigment ist in Argentinien vollständig vermischt.

In der Stadt ist 24 Stunden am Tag Leben, man kann mitten in der Nacht in ein gut besuchtes Restaurant gehen.
Buenos Aires muss einmal eine Schönheit gewesen sein. Viele große Häuser von der vorigen Jahrhundertwende, die jetzt schmutzig und heruntergekommen sind.

Letztes Jahr wurde hier im Staatstheater von Buenos Aires Lachenmanns Mädchen mit den Schwefelhölzern gegeben. Angeblich hat das Publikum beim Applaus schließlich „Olé, Olé..!“ gesungen. Wenn es dem armen Mädchen hilft…
Ich fand das nie ein Ideal, dass das Publikum einem sogleich um den Hals fällt, kriege bisweilen regelrecht Ekelgefühle bei Komponisten, die ihre Musik darauf anlegen; haben wohl zu Hause zu wenig oder zu viel Liebe abgekriegt. Gefallsucht, nur die herrschende Meinung bestätigend. Wenn es mir doch mal passiert, ist Revision angesagt. Nach der Matthäuspassion, nach Weberns Aphorismen ebenso wie nach einer Vorführung von Saló oder der Hamletmaschine, in Anbetracht von Duchamps Pissoir sind andere Reaktionen geboten als „Olé, Olé!“ zu singen.