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Kleine Weltreise – Tagebuch #07

Fragmentarischer Schlaf
… Schlaf … Schlaf
Wer schläft, kann kein Selfie machen
Bedeutendster Isländischer Künstler: Dieter Roth

In Island gehen die Fenster wenn überhaupt nur kippweise nach unten auf.

Meist sind das die kleineren Elemente der Fassade. Die einen sagen, damit man von aufsteigender Warmluft was abbekommt, die anderen, damit es nicht reinregnet, wieder andere sagen, das sei einfach durch Willkür so gekommen. Von außen geputzt werden die Fenster wohl nur durch den Regen, sofern man das Putzen nennen will. Was mag dieses Fenstersystem für Auswirkungen auf die kollektive Seele haben? Hätte man in so einem Land ein Betriebssystem namens „Windows“ erfinden können? Gibt es in einem Land, das die Fenster nach unten auf- und zuzieht, einen Ausdruck wie „Zeitfenster“? Wie wird durch das Fenstersystem (USA: hoch-runter schieben, Mitteleuropa: oben-kipp oder seitlich schwenkbar, Island: unten-kipp) das Verhältnis zu Wetter, Nachbarschaft, Passanten justiert? In welchem Rhythmus und in welcher Menge verschafft sich der Indoor arbeitende Isländer frische Luft, was für Auswirkungen hat das auf die Arbeit selbst?* Ausgerechnet mein Stück „windowed“ wird hier nächste Woche interpretiert.. Mir wurde gesagt, wenn es in Island mal den seltenen Fall eines „normalen“ Fensters gibt, das seitwärts sperrangelweit aufgesperrt werden kann, kriegen die Einheimischen Höhenangst. Vertigo. Das Fenster zum Hof.

*Nachtrag: „Was bedeutet es fürs Subjekt, dass es keine Fensterflügel mehr gibt, die sich öffnen ließen, sondern nur noch grob aufzuschiebende Scheiben, keine sachten Türklinken sondern drehbare Knöpfe?“ Adorno, Minima Moralia, S. 44.