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Kleine Weltreise – Tagebuch #06

Der Gang aufs Land

1. Pingvellir Nationalpark. Hier fand sich das angeblich erste nachantike Parlament der Welt ein (um 930), an einem superidyllischen Ort mit großem See, weitem Land, glasklarem Wasser, beeindruckenden Gesteinsformationen und einem höchst ansehnlichen Wasserfall. Politik und Ästhetik.

Unter einem tun sich Spalte auf, die gern mal 10 Meter tief sind, wenn man genauer reinschaut.

 

2. Weiter zu den Geysiren. Flache Dampfstellen, es riecht nach Furz Schwefel, oder wie Ernst Jünger geschrieben hätte: „Ein böser Duft durchwebte den Raum“. Der ganz große Geysir bricht nur unregelmäßig bzw. bei Erdbeben aus, der Stokkur dagegen ca. alle 5 Minuten. Es schluckt, spuckt und schwappt, zieht sich nach innen und dehnt sich aus, als ob hier ein muskuläres Wesen mit Riesenlunge im Boden lebte, und dann zischt es ohne Ankündigung sagenhaft hoch, wie ein Nießen, allerdings mit 80-100° heißer Fontäne. Auf YouTube gibt es von dem Geysir über 1000 Videos. Hier die Aufnahme einer holländischen Familie, die sich im Wohnwagen nachher bestimmt noch viel von diesem Naturschauspiel zu erzählen hatte.

 

3. Gullfoss Wasserfall. Im Januar sah ich den größten Wasserfall Nordafrikas. Gegen den Gullfoss ist der afrikanische ein Furz. Windhauch bei mildem Abendlicht, wenn die Sterne dem müden Sonnengott beginnen lieblich zuzublinken. Eine riesige Masse Gletscherwasser stürzt über mehrere Terrassen, von denen eine allein schon spektakulär wäre, in eine kaum einsehbare Schlucht. Touris stehen da und machen Selfies mit Wassermigrationshintergrund. „Ich dachte bis vor kurzem noch, ein ‚Selfie‘ sei das, was mir meine Kirche verbietet – wegen Rückenmarkschwund.“ (Harald Schmidt).

 

4. Abseits der Touris, in den Bergen vor Reykjavik, wo es immer wieder aus der Erde dampft, halten wir noch mal und besehen die Öffnungen. Die Erde ist unterschiedlich warm, bei den gelben Stellen am wärmsten. Man sieht eine harmlose Pfütze und schon hat man sich fast die Finger darin verbrannt. In der Gegend ist es Vorschrift, dass die Häuser einen Keller haben, denn es kann immer sein, dass es drunter plötzlich aufbricht und etwas ausstößt, und dann hat man wenigstens einen Puffer.

 

Unterwegs ist man in weiter, moosbewachser Landschaft nahezu ohne einen Baum. Es grasen Schafe und große Herden Islandponys, die aber noch nicht das typisch-sympathische Extremzottelfell des Winters tragen. Landwirtschaft findet vor allem in Gewächshäusern statt, die natürlich die Geothermik nutzen. Auf diese Weise gibt es Islandpaprika.

 

Die Isländer gelten als die „Italiener des Nordens“. Anders etwa als die distanzierten Norweger oder die grüblerischen Finnen zeichnet die Isländer eine heißblütige Leidenschaft aus, die sich in häufigem Pendeln zwischen linken und rechten Regierungen zeigt.