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Neuer Konzeptualismus – Methoden 1d) Sonifikation von/mit Dauern

d) Sonifikation von / mit Dauern

Eine gegebene Dauer wird aufgegriffen und zur musikalischen Dauer, oder gegebene Daten werden zu musikalischen Dauern.

 

 

Jarrod Fawler nimmt die Kapitelnummerierungen von Wittgensteins berühmtem „Tractatus“ und lässt ein Klickgeräusch in Dauernproportionen gemäß der Nummerierung erklingen. Den Anspruch Wittgensteins, ein vollständig logisches System der Philosophie darzustellen, kommentiert er mit einer maximal trockenen „Musik“, die genau diese Logik in einer Extremform ästhetisiert, also wahrnehmbar macht (Ausschnitt bei 43’33“).

 

 

In „Shed“ habe ich die Dauernprogression von 100-Meterlauf-Weltrekorden auf Musik angewandt.

 

 

Die berühmte Dauer von 4’33“ habe ich mehrmals umgesetzt:

 

Duration of Silence
Simon & Garfunkel, “Sound of Silence”, stretched to 4’33” duration.

Depeche Mode, “Enjoy the Silence” (2004 version), stretched to 4’33” duration.

 

 

 

„1452 hat Guillaume Dufay zur Einweihung des Florentiner Doms die Motette „Nuper Rosarum Flores“ komponiert, bei der er die genauen architektonischen Maße des Doms in musikalische Proportionen umgesetzt hat. Also, zum Beispiel entspricht die Anzahl der Noten des ersten Teils genau der Länge des Längsschiffs in Fuß, usw.

Was Sie hier nun sehen, ist der Grundriss des Dortmunder Bordells „Ladylike“. Es gibt den zeigt mit Stab Eingangsbereich, in dem der Service gebucht und auch gleich bezahlt wird, hier die Garderobe, dann den Empfangsraum mit den Mädchen, mit denen sich der Mann an der Bar vergnügt, bevor er sich mit ihnen in eine der Lounges oder in den Whirlpool oder auf die gemeinsame Spielwiese begibt.

Die Architektur ist exakt auf die sexuellen Bedürfnissen des durchschnittlichen männlichen Dortmunders zugeschnitten. Wir werden diese Proportionen nun für den Tristan-Remix der Ouvertüre verwenden.“

[Aus „Feeds. Hören TV“. Musiktheater im Revier Gelsenkirchen, 2010]

 

Neuer Konzeptualismus – Methoden 1c) Sonifikation in Tonhöhen (ohne Geometrie)

c) Sonifikation in Tonhöhen (ohne Geometrie)

Ein gegebener Datensatz wird in Tonhöhen transferiert.

 

Tom Johnson, Narayana’s Cows: Johnson macht aus dem Familienstammbaum einer Kuhherde eine Melodie, die nach und nach entfaltet wird, wobei sich im Zuge dieser Evolution ein mathematisches Problem ergibt, das Johnson nun quasi-musikalisch löst – oder auch nicht? Das Stück ist in der Instrumentation offen, man findet mehrere Versionen auf YouTube. Ich habe bei der Gaudeamus Music Week 2010 eine Version für Moderator und großes Ensemble gehört, das war eine regelrechte Show – viel Akklamation.

 

 

In meiner Performance „Rich harmonies“ habe ich die 6-aus-49 – Lottoziehungen seit Einführung der Lotterie auf den 49 Tasten eines Vieroktavharmoniums gespielt. Zufallsmusik nach der gehaltsästhetischen Wende.

 

 

Neuer Konzeptualismus – Methoden 1b) geometrische Sonifikation

Sonifikation

Existierende Daten werden nach einer bestimmten Idee in Klänge umgesetzt. Die Umsetzung erzeugt einen Kommentar zu der Datenvorlage, von der Übertreibung bis zum Kontrapunkt. Die Sonifikation ist eine technische Umsetzung von Daten, anders als eine expressive Ausdeutung von etwas. Es lassen sich mehre Sonifikationsmethoden unterscheiden.

 

1 b) geometrische Sonifikation

Ein direktes Verfahren, bei dem grafische Vorlagen als Koordinatensystem betrachtet werden, dem die übliche Verteilung von Tonhöhe und Zeit auf y- und x-Achse entspricht. Xenakis hat darauf hingewiesen, dass die Notenschrift ein kartesianisches Koordinatensystem bildet – aber bereits vor Descartes entwickelt wurde.

In meiner „Charts Music“ habe ich Aktienkurse zum Höhepunkt der Finanzkrise 2009 als Melodien in eine Kinderkompositionssoftware eingespeist, wodurch ein Widerspruch entsteht zwischen Desasterdaten und Happysound. Das Konzept wird in vielen Varianten durchgeführt, aus diesen Varianten habe ich dann eine Form komponiert – ein Verfahren, das ich oft anwende, „zusammengesetzter Konzeptualismus“.

 

 

In meinen „Scanner Studies“ werden Buchstaben und andere Zeichen streng geometrisch gelesen, im Widerspruch zur normalen semantischen Erfassung beim Lesen. Wiederum ein zusammengesetztes Stück.

 

 

 

 

Ähnlich (aber unabhängig von mir) hat Alberto Bernal Komponistenportraits oder Protestschilder von Demonstrationen in Spanien sonifiziert („NO-Studies„):

 

 

 

 

In meinen „Kinect Studies“ sind beispielsweise Alltagshandlungen zur Klangsteuerung umfunktioniert (bei 3’16“):

 

 

bei 3’10“:

 

Oder auch eine Erhängung, in dem Fall ist die x-Achse die Tonhöhenachse, wie auf der Klaviatur (2’50“):

 

In „Eine Art Verlust“ wird das Scannen von der Notationserkennungssoftware „Cappella Scan“ bewerkstelligt, Vorlage waren sämtliche Gedichte von Ingeborg Bachmann, mit Notenlinien versehen:

 


(Bei Stücken wie diesem ist natürlich völlig klar, dass das kein Mensch sich ganz anhört – ich habe es jedenfalls ist. Ist ja auch nur ein YouTube-Video, ich nenne so was eine „YouTube Installation“.)

 

Jens Brand hat gleich die ganze Erde als Satellitendaten genommen und die Berge und Täler als Schallrillen eines virtuellen Riesenplattenspielers sonifiziert:

http://www.g-turns.com/

 

In meinen „Irmat Studies“ (wieder eine zusammengesetzte Form) sind es Menschen auf der Straße (1’54“), die Linien eine Fingerkuppe (6’21“), ein Zahlenblock (13’53“) oder menschliche Gesichter (22’17“), die partiell sonifiziert werden: