Die Versuchung im Netz ist riesengroß, aber fast immer verkneif ich mir so Muhaha-Kram für dieses Blog. Ausnahmsweise gebe ich nach: Zwei Filme, die zeigen, wie man auch Schnödes zelebriert, sei es ein Stück Pizza, sei es der Drumset-Part von „My Way“. Es gibt sie noch, die begeisterungsfähigen Menschen.
Radikale Antitraditionalisten
Heute: John Cage
Früher auf Kulturtechno:
Radikale Antitraditionalisten (Franzosen)
Radikale Antitraditionalisten (Fluxus)
Kreidler @Ultima Academy Oslo
Morgen und übermorgen findet im Rahmen des Ultima Festival Oslo die „Ultima Academy“ statt, die dieses Jahr als Thema „Digital Revolution of New Music: Consequences and possibilities for composers, musicians and listeners“ hat. Ich werde dort zusammen mit Harry Lehmann die Kontroverse, die in Deutschland seit mehreren Jahren anhält, refererieren, und dann den Vortrag „New Technology and the Music it creates“ halten. Übermorgen dann präsentiere ich im Vortrag meine Kompositionssoftware COIT.
Da ich weiß, dass hier ganz viele mitlesen, die just in Oslo sind: Anwesenheitspflicht!
Tuesday 11 September
Norwegian Academy of Music
Digital Revolution of New Music: Consequences and possibilities for composers, musicians and listeners
9.30–10.30
Music, Aesthetics, Digitization: Lecture by Harry Lehmann and Johannes Kreidler
Music philosopher Harry Lehmann and composer Johannes Kreidler are important names in the German contemporary music scene. In this lecture they present their book Musik, Ästhetik, Digitalisierung [Music, Aesthetics, Digitization], Born out of a controversial debate in the German music press, the book analyzes the impact of the digital revolution with regards to composition, distribution and musical interpretation.
10.45–11.15
The Content/Aesthetic Turn in New Music: Lecture by music philosopher Harry Lehmann
The digital revolution brings with it an all-encompassing democratization of ‘high art’. This leads to a shift in aesthetic content: Since the ideal of intrinsic musical progress is no longer convincingly attainable with acoustic instruments, composers choose to use aesthetic content as a tool to bridge the gap between ‘life’ and ‘art’ that is characteristic of contemporary art music.
11.15–11.45
New Technologies and the Music it Creates: Lecture by composer Johannes Kreidler
Digitization has made a lot of potent technology affordable, useful and accessible. Kreidler discusses four different aspects of the issue in the musical field: production (software), remix (availability of existing music), instrument design (controller) and distribution (social networks).
12.00–13.00
Composer, philosopher and writer Emil Bernhardt in conversation with Harry Lehmann and Johannes Kreidler
12.9.
10.15–11.15
Composing in Cooperation with the Computer: Practical lecture by Johannes Kreidler
“We shape our tools and in turn they shape us“. Marshall McLuhan’s phrase is a creative technique: how can we design the interaction models between computer and human in order to become fertile? Together with the huge amounts of data and methods of distribution over the internet, modern-day hardware and software offer significant prospects for composers in a democratic way. Kreidler gives an insight into his work on the basis of the self-written composition software COIT and his own way of communicating over the internet.
Mehrere Stunden Audiodaten
Irgendwelche Dateien als Audiodaten auslesen ist, spätestens seit es jeder mit Audacity machen kann, Volkssport. Ich hatte hier schon vor längerem ein Post dazu, darum habe ich Henriques Hinweis auf das folgende Opus zunächst dankend abgelehnt. Als er mir dann aber noch schrieb, dass er sich tatsächlich diese GESAMTEN dreieinhalb Stunden am Stück angehört hat, da war mir das dann doch eine Würdigung wert. Der Kulturtechno-Hörpreis geht im September an Henrique aus Brasilien!
Fremdarbeit @ICMC Ljubljana
Heute abend eröffnet die diesjährige International Computer Music Conference (ICMC), die heuer in Ljubljana stattfindet. Neben Keynotes von Seth Kim-Cohen und Diedrich Diederichsen wird mein Stück Fremdarbeit aufgeführt, ich werde moderieren. Anwesenheitspflicht für alle, die einen Computer benutzen!
Menschlicher Subwoofer
Tim Storms hat angeblich die tiefste menschliche Stimme.
Tim Storms holds the World Record for the lowest note ever sung by a human. He can hit a G-7, or .189 Hz. It’s so low you can’t even hear it, but it’s measurable.
(via BoingBoing)
Anton Wassiljews „Blood on the Dancefloor“
Anton Wassiljew hat eine interessante Ästhetik geschaffen mit Computersprecher und einem Haufen ulkiger Ansagen.
Anton Wassiljew
Blood on the Dancefloor
für Ensemble und Live-Elektronik (2011/12)Atelier Neue Musik
HfK Bremen
René Gulikers, Ltg.
(via usernamealreadyexists)
John Cage. Der totale Avantgardist
Heute wäre John Cage 4 Minuten und 33 Sekunden alt geworden.
Fürs Feuilleton einer bekannten Berliner Zeitung sollte (u.a.) ich einen Text darüber schreiben, was Cage einem Komponisten heute bedeutet. Das Projekt wurde leider kurzfristig von der Redaktionskonferenz abgesägt, aber egal, dann kommt er eben hier.
Der totale Avantgardist
Ausgerechnet zum lapidaren hundertsten Geburtstag wird er gefeiert, er, dessen Werke Titel wie 34’46.776″, 31’57.9864“, 26’1.1499″ oder auch 0’00“ tragen. Was für ein schlechtes Stück wäre sein berühmtestes, wenn es nicht 4 Minuten und 33 Sekunden, sondern 5 Minuten hieße! Wie dem auch sei, die meisten Aufführungen kann man sich gar nicht anhören, die Musik klingt schrecklich staubig und dauert quälend lang. Dabei ist er einer der Größten, auch für mich.
Er war Performer, Konzeptkünstler und Multimediakünstler, als diese Begriffe noch lange nicht existierten. Er war der unschönbergischste Schönbergschüler, überhaupt hatte er praktisch keine musikalischen Vorbilder. Darin ist er mir ein Vorbild. Es ist richtig so, dass seine Musik nicht anhörbar ist, ich bin ihm dankbar für diese Unerträglichkeit, denn trotzdem merke ich: Ich bin eben zu schwach. Sich dumm fühlen ist auch ein Erhabenheitsgefühl. Zufall, Cages Prinzip, kann ja aufgefasst werden als Undurchschaubarkeit aller beteiligten Kräfte. Wären wir nur viel aufmerksamer und viel intelligenter, wir könnten voraussagen, wie der Würfel fällt; wären wir viel geschickter im Wurf, wir könnten ihn beherrschen. Aber so kommt es, dass erst nach Jahren Dieter Schnebel entdeckt, welche Summe die 4 Minuten und 33 Sekunden, die einst als Dauer für das Nicht-Stück erwürfelt wurden, ergeben: 273 Sekunden, just wie der absolute Temperaturnullpunkt bei -273 Grad Celsius. Der Nullpunkt der Musikgeschichte, er hat sich selbst den besten Namen gegeben.
Cage hat das Denken über Musik revolutioniert, als Macher durch und durch, als Bastler, Aufführender und Vortragender. Wahrscheinlich sind es bei aller Radikalität doch die Mischungen, die funktionieren: Er quälte das Publikum und war zugleich der freundlichste Mensch, er war Anarchist und forderte diszipliniertestes Musizieren, das Hauptinstrument des Revolutionärs war, wie bei den Alten, das Klavier, selbst wenn es nicht gespielt wurde – 4’33“ ist ein Klavierstück.
Mittlerweile gibt es von dem stillen Stück über tausend Mitschnitte auf YouTube, von der Blockflötenversion bis zum großen Orchester; Harald Schmidt und Helge Schneider haben es aufgeführt, eine vielbeachtete Facebook-Initiative versuchte, das Werk zu Weihnachten auf Platz eins der Charts zu hieven. Er ist in der Popkultur angekommen. Sein Stück Organ²/ASLSP (as slow as possible) wird seit dem Jahr 2001 in der Halberstadter Sankt-Buchardi-Kirche mit der Dauer von 639 Jahren aufgeführt. Das totale Largo, bei dem jeder Tonwechsel ein Partyanlass ist (auf YouTube zu sehen). Da feiert das Denken ein Fest – nur anhören kann man sich die Musik nicht wirklich.
Originale kann man kopieren, Originalität nicht. Wollte man Cage fortsetzen, hieße das, alles anders zu machen als er, denn noch stiller, noch zufälliger, noch inklusivierender und noch länger zu-lange kann man nicht komponieren. Oder man muss konsequent die neuesten Medien nutzen, so wie Nam June Paik über den anderen Übervater sagte: Das einzige, was Duchamp nicht gemacht hat, waren Videos, darum mache ich Videokunst. Jetzt wäre es also Zeit, das Klavier zu ersetzen.







