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Fehlerästhetik #11 – Kritik

Folgendes Zitat von Rolf Großmann hatte ich schon mal kritisiert, an dieser Stelle wird es erneut fällig:

Künstlerische und kulturelle Sampling Techniken können Innovation und SubVersion des Scratching oder der Tape Music nur fortsetzen, wenn sie den geordneten und ordentlichen Zugriff des digitalen Sampling (ich schließe das Frame-Grabbing der Bildwelten mit ein), seine saubere Programmverarbeitung durchbrechen und die Programme selbst zum Gegenstand des Zugriffs machen […] seine Verarbeitunsgsstrukturen [sollen] in einer neuen Stufe der direkten Programmzugriffe und Parameterzugänge […] ästhetisch produktiv werden…

Seit den Menschen bewusst ist, dass sie mit Gerätschaften (Medien) zu tun haben, klopfen sie diese auch nach ihren Limits und Fehlern ab, das schafft einen umfassenderen Blick auf sie, es zeigt Chancen und Grenzen und hält die humane Souveränität hoch gegen vermeintliche maschinelle Perfektion und Verheißungen des Kapitalismus.
Erscheint irgend ein neues Gadget oder ein neuer Google-Dienst, fangen auch gleich die Leute an, Fehler zu finden, vollgekackte Kameras bei Google Streetview, absurde Dialoge mit Siri. Lachenmann untersucht den ‚hässlichen‘ Geräuschanteil der ‚edlen‘ klassischen Instrumente, die abtrünnigen Popchargen scratchen und glitchen rum, entlaufene Designer pixeln hoch – der Fehler wird gefeiert. Aber das funktioniert nur, weil man sich auf ein Regelsystem bezieht, das Fehler haben kann; rigide Systeme also wie die tonale Musik.
Wer sich aber tief genug einarbeitet, zB in Digital Signal Processing, der kennt kein Regelwerk mehr. Eine Audiosoftware wie puredata oder Max/Msp hat keine Fehler, es sei denn, sie würde nicht ordentlich die Einsen und Nullen rechnen. Alles andere obliegt dem Programmierer. Der Digitalcode ist, anders als Großmanns Linienziehung suggeriert, keine Fortsetzung der alten Medien, sondern ein universelles Medium, das die alten schluckt.

Lachenmann oder die Glitches beziehen sich auf tonale Musik, also strikte Regelsysteme, in denen der Fehler auffällt und aufklärend wirkt – Aber: Sind diese Gegenbilder so relevant? Tatsächlich halte ich es da (als puredata-Programmierer) elitärer: „Nur wenige sind es wert, dass man ihnen widerspricht.“
[Aber zumindest die Fehlerästhetik generell ist es mir wert, widersprochen zu werden.]