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Neuer Konzeptualismus – Methoden 3. Synthetischer Konzeptualismus

3. Synthetischer Konzeptualismus

(Auch: serieller Konzeptualismus, Zahlenkonzeptualismus, mathematischer Konzeptualismus, abstrakter, strukturalistischer Konzeptualismus, Minimalismus)

Ohne deutlich erkennbares „Fremdmaterial“, sondern mit elementaren Bausteinen von Musik arbeitet synthetischer Konzeptualismus. Was kann daran eine prägnante Idee sein, der man den Charakter eines Konzepts zusprechen kann? Es gibt von Iannis Xenakis die Unternehmungen, mit einer einzigen Formel bzw. einer selbständig arbeitenden Software ein komplettes Stück zu erstellen; das halte ich aber nicht für eine prägnante Idee. Auch Peter Ablinger hat mal gesagt, dass im Grunde alle aufgeschriebene Musik insofern konzeptuell sei, weil sie in Schriftform vorliegt und dann kasuell realisiert wird. In der Bildenden Kunst ist ein Hauptvertreter der Konzeptkunst, Sol LeWitt dafür bekannt, dass er quasi Partituren – Anleitungen zum Anfertigen seiner Bilder – verfasst hat.

Es gibt aber einige Beispiele für eine quasi von Grund auf generierende Idee, die sich deutlich benennen lässt bzw. die deutlich durch die Realisation spricht. Das hat meist einen minimalistischen Charakter, ich würde das auch eher als historisch frühere Form des Konzeptualismus bezeichnen.

 

Tom Johnson lässt im „Chord Catalogue“ sämtliche möglichen Intervalle und Akkorde innerhalb einer Oktav spielen (er hat noch einige ähnliche Stücke gemacht, das hier ist das strengste):

 

 

Ähnlich habe ich alle 680 möglichen Dreiklänge innerhalb einer Duodezim erstellt, allerdings in Zufallsreihenfolge, vergleichbar Gerhard Richters Farbtafeln:

 

(So habe ich auch Stücke mit 120 Stereopositionen oder 600 Dauern gemacht, die aber nicht veröffentlicht sind.)

 

Zum Geburtstag

on any instrument: play chromatic scale upwards (or downwards), as soft as possible, in moderate tempo, the last possible tone as loud as possible & sustained.

 

 

Im zusammengesetzten Stück „Das Ereignis“ ereignen sich kleine Dinge:

 

 

Erik Carlson macht einen quasi unendlichen Kanon aus Zahlen:

 

http://midnightsledding.com/carlson/sinstack.wav

 

In „Reversibility comes first“ spielen zwei Gitarristen Barrégriffe vom obersten bis zum untersten Bund, immer spiegelverkehrt, so dass sie sich in der Mitte treffen. [Stück ist noch nicht uraufgeführt]

 

Einige neuere Arbeiten von Peter Ablinger bewegen sich ebenfalls im Bereich des synthetischen Konzeptualismus:

 

All pieces within the series ‚Augmented Studies‘ may be seen as a continuation of my exploration into redundancy. Most of the series (though not all) takes, as its starting point, the redundancy of maximally simple material, or, carry on the redundancy/rigour of method/algorithm as a structural vehicle to finally arrive at its opposite – density and complexity. True to all pieces in the series, however, seems to be the intent of focus – the tension between redundancy of material and complexity of experience.

„Augmented Studies“ http://ablinger.mur.at/txt_augst.html

 

 


(^auch ohne Schlagzeug möglich)
(eine Aufnahme davon rückwärts abspielen)

 

 

 

Nicht mehr ganz von Grund auf, sondern mit tonalem Material – dadurch zumindest etwas allusiv – arbeitet Richard Glover in „Natural Harmonies“ (es gibt noch ähnliche Stücke von ihm, das finde ich zur Zeit am besten). Ständige fallende Quinten in zwei Stimmen, wobei eine Stimme pro Zirkel einen Akkord weglässt, so dass in der Großform es wiederum einen Zirkel gibt, der sich am Ende durch wieder identische Harmonien schließt.

 

 

Tom Johnson lässt sämtliche Permutationen einer Tango-Melodie spielen. Sehr gemein, etwas so leidenschaftliches wie Tango dermaßen mathematisch durchzuexerzieren. Und des Exerzitiums nicht genug, verlangt er vom Spieler auch noch, alles auswendig zu spielen, was bei der extremen Ähnlichkeit jeder Variation besonders schwer ist.

 

 

Und materialiter offen:

 

Link zum Anfangspost der Reihe: Definitionen und Übersicht