
(aus „Ear Training 1“)

Mein Text „Wozu komponieren? Ein kurzer Essay über Liebe“, der letztes Jahr in der Neuen Zeitschrift für Musik erschienen ist, steht jetzt online.
Kleines Gedankenspiel: Was käme für eine Musik dabei heraus, wenn die Komponisten machen dürften, was sie wollen? Vorzustellen wäre sich das so: Es gibt ein bedingungsloses Grundeinkommen, und eine ›bedingungslose Aufführungsgarantie‹ – der Komponist kann sich alle Zeit der Welt nehmen, sich die Instrumente / Instrumentalisten selber aussuchen, den Aufführungsort bestimmen und die Dauer des Stücks ganz nach eigenem Ermessen wählen. Also wenn nötig arbeitet er an einem zweiminütigen oder zwanzigstündigen Werk in aller Ruhe und Sorgfalt fünfzehn Jahre lang, ob für Toy Piano solo oder ein riesiges Musiktheaterspektakel, wenn es sein muss aufgeführt vor dem Reichstag, auf der Zugspitze oder in der Donauhalle. Wie hörte sich wohl die Kunstmusik an, wenn die Komponisten – rein organisatorisch – machen dürften, ja, machen müssten, was sie wollen?
http://www.kreidler-net.de/theorie/wozu-komponieren.htm
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Aphorismen des Tages:
Das Gesagte läuft
Mal Frederick umbringen
Langsam denken wie zunächst
Gänzlich Verbrechen
Fixierung der Freunde
Jury als Installation
Alle Monster befinden sich angedeutet
Dieses Jahr feiert das „Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch hundertsten Geburtstag. Dazu habe ich ein kleines Musikstück gemacht, eine klangliche Umsetzung desselben:
Das Quadrat erklingt als Rechteckschwingung („Square Wave“);
die Farbe „Signalschwarz“ hat den CIEL-Wert 28.66, darum als Frequenz 28.66 Hertz;
die Frage nach der Dauer, die Peter Ablinger für ein klingendes Quadrat gestellt hat, beantworte ich subjektiv mit 8 Sekunden.
Johannes Kreidler
Shutter Piece
für 8 Instrumente, Zuspielung und Video
Dauer: 16’
Als „Musik mit Musik“ kombiniere ich seit 2005 vorgefundene Soundfiles, verschiedentlich bearbeitet (zerschnitten, transponiert, geschichtet, etc.), mit live gespielten Instrumenten. Damit die Lautsprecherklänge auch eine Performativität bekommen, ziehe ich teilweise Video hinzu.
Im Shutter Piece konzentriere ich mich auf ein Verfahren: Ein ganz regelmäßiger An-Aus-An-Aus-Rhythmus der Zuspielung, der die Instrumente teilweise maskiert oder mit ihnen alterniert. Mit diesem strengen Prinzip lassen sich divergente Klangmaterialien – hier: Sportübertragungen, ein Hollywood-Soundtrack und die Instrumente der Neuen Musik – aufeinander beziehen. Das Video verstärkt in dem Fall den Charakter der Fußball-Zuspielung; Public Viewing im Konzertsaal.
Der Shutter (= Verschluss) steht für den Lidschlag, die Nutzung des Stroboskops in der Wissenschaft und in der Disko, für Penetration, Digitalisierung, Gitter und für die Ausschnitthaftigkeit von Wahrnehmung.
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Hier ist das komplette Programm der diesjährigen Wittener Tage für Neue Kammermusik
Die Radiosendung von Christoph Reimann über die Ästhetik der „Musik mit Musik“, mit Werken von und Interviews mit Johannes Kreidler, Stefan Prins, Alexander Schubert und Martin Schüttler, gesendet auf HR2 Kultur am 26.2.2013, hat jemand hochgeladen.
Nachdem ich vorletzte Woche eindrucksvoll beweisen konnte, dass ich der größte Paul-Celan-Vertoner aller Zeiten bin, habe ich nun auch das Gesamtwerk von Georg Trakl kompositorisch bewältigt.
Der Herbst des Einsamen
Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle,
Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen.
Ein reines Blau tritt aus verfallener Hülle;
Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen.
Gekeltert ist der Wein, die milde Stille
Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen.
Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel;
Im roten Wald verliert sich eine Herde.
Die Wolke wandert übern Weiherspiegel;
Es ruht des Landmanns ruhige Geberde.
Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel
Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde.
Bald nisten Sterne in des Müden Brauen;
In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden
Und Engel treten leise aus den blauen
Augen der Liebenden, die sanfter leiden.
Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen,
Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden.
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Aphorismen des Tages:
Die Natürlichkeitsoktav
Zeit gegeneinander geheiratet
Musik
Form
Lotto
Mythologie
www.pfau-verlag.de
beautiful
hat.*
Leiche übertreiben
Durcheinandersicherheit
Die Radiosendung über mich bei den Donaueschinger Musiktagen 2012, die auf SWR2 am 30.1.2013 (Kulturtechno berichtete) ausgestrahlt wurde, hat jemand online gestellt. Das Feature ist von Bernd Künzig.
Heute abend sendet HR2 Kultur die Sendung „Nicht Musik über Musik, sondern mit Musik“ von Christoph Reimann aus.
Dienstag, 26. Februar 2013, 22:00 Uhr
In seinem Aufsatz mit dem programmatischen Titel „Musik mit Musik“ aus dem Jahre 2007 beschrieb der in Berlin lebende Komponist Johannes Kreidler seine Arbeitsweise mit (vorgefundenen) Soundfiles und deren ästhetische Implikationen.
Auch andere Komponisten, die zur Generation der „digital natives“ zählen. Also jene Generation, die mit Hard- und Software aufgewachsen ist und auf vielfältige und unterschiedlichste Art und Weise digitalisierte Musik in ihren Stücken einsetzt. Wie und warum – darüber geben Johannes Kreidler (* 1980), Martin Schüttler (* 1974), Alexander Schubert (* 1979) und Stefan Prins (* 1979) Auskunft.
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=31122&key=standard_document_43789901
Livestrom:
http://www.hr-online.de/website/radio/hr2/index.jsp?rubrik=23746
Heute abend um 23.05h kommt auf WDR3 die Sendung „Studio Neue Musik – Flüchtige Schönheiten“ von Björn Gottstein. u.a. mit meinem Stück product placements.
http://www.wdr3.de/musik/neuemusikbeiwdr3/Schoenheiten100.html
Livestrom:
http://www.wdr.de/wdrlive/media/wdr3_hq.m3u
Wenn in 33 Sekunden 70.000 Zitate an uns vorüberrauschen, mischt sich zwangsläufig Schönes und Hässliches. Johannes Kreidler unternimmt diesen Versuch zum Thema flüchtige Schönheit, ganz andere stammen von Hans Werner Henze und Paul Dessau.
Diskurse über flüchtige Schönheiten, vermeintlich schöne Stellen und erfüllte Augenblicke. Gérard Pesson eröffnet uns Einblicke in die Sammlung seiner Lieblingsstücke. „Dass schöner erscheint und Sehnsucht erzeugt, was sich entzieht“, sei, so Matthias Spahlinger, von Charles Baudelaire zu lernen. Johannes Kreidler lässt in nur 33 Sekunden über 70.000 Zitate vorbeirauschen, darunter gewiss einige schöne – und noch mehr hässliche – Stellen. Berüchtigt ist der Disput über Schönheit zwischen Paul Dessau und Hans Werner Henze: auf Beeing beauteous seines Freundes Henze antwortet Dessau mit seinem Quattrodramma, gegen die schönheitstrunkene Kantate setzt er harte musica impura.
Moderation: Björn Gottstein
Redaktion: Harry Vogt