Manchmal wäre von den Institutionen der Neuen Musik etwas mehr Ideenreichtum zu wünschen. Besonders eklatant zeigt sich das bei Kompositionswettbewerben: Wieviel Spielraum gäbe es da noch! Hey, wir sind in der Kunst, da muss man doch Tabus brechen, die Political Correctness subvertieren und sowieso alles ausloten, kurz: es soll eine NEUE Musik sein – also braucht es auch neue Formen von Kompositionswettbewerben! Ein paar Vorschläge, manche durchaus ernst gemeint:
1.
Preise in den Kategorien bestes / mittelmäßigstes / schlechtestes Stück
Auch in der Variante, dass dem Publikum / den Komponisten nicht gesagt wird, welches Stück in welcher Kategorie gewonnen hat (P.B. Composition Prize)
2.
E.J. Preis („Ü-40-Gammelfleischpartypreis“)
Immer wieder beschweren sich Komponisten über die Alterdiskriminierung bei Kompositionswettbewerben: Meist sind 30 oder 35 Lenzen die Obergrenze. Höchste Zeit für Wiedergutmachung. Hiermit seien Wettbewerbe mit Alters_untergrenze 40/50/60/70/80/90 eingefordert.
3.
Nur katholische, lesbische Frauen mit Migrationshintergrund und Behinderung sind zugelassen
Randgruppendurchquotierung mal konsequent. Wer Kompositionswettbewerbe nur für Frauen ausschreibt, diskriminert schließlich immer noch fröhlich weiter.
4.
Wettbewerb für Orchesterkomposition „Mille Grazie“
Partituren in 12facher Ausfertigung + Stimmensätze müssen beiliegen
Teilnahmegebühr: 2000€
Dem Gewinner winkt ein symbolischer Preis.
Eine Aufführung des prämierten Werkes kann nicht garantiert werden. Die Jury kann entscheiden, keinen Preis zu vergeben.
Die Entscheidung der Jury ist nicht anfechtbar.
5.
Striktere Vorgaben
Das Gedicht „Einsamkeit“ von Jruslava Bortuzicky soll vertont werden.
Gesamtdauer: 8 Minuten
Dauer 1. Strophe: 3 Minuten
Dauer 2. Strophe: 2 Minuten
Dauer Zwischenspiel: 30 Sekunden
Dauer letzte Strophe: 2 Minuten
Dauer Nachspiel: 30 Sekunden
Für lyrischen tiefen Mezzosopran, Bassflöte, Es-Klarinette, Glockenspiel und „Gruenig-Harfe“ (siehe angefügte Beschreibung). Keine Elektronik.
Lautstärke soll im Lauf des Stückes zunehmen. Das Stück soll in a-moll stehen (keine Modulationen). Weitere Vorgaben entnehmen sie der angehängten Beispielpartitur. Abweichungen von der Beispielpartitur sind nicht gestattet. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
6.
Jurys bewerben sich
Jurygruppen bewerben sich auf den Juryposten, die Komponisten wählen aus. Die Jury verleiht anschließend demjenigen Komponisten, der sie am nachdrücklichsten empfohlen hat, den Preis.
7.
Kompositionspreis „Sankt Nimmerlein“
Dauer: frei
Besetzung: frei
Altersbeschränkung: keine
Partitur kann per Post (in einfacher Ausfertigung) oder als pdf eingesandt werden. Jede Einsendung bekommt eine Aufwandsentschädigung von 50€. Der Gewinner erhält 1.000.000€ und eine Professur; alle anderen bekommen lukrative Trostpreise (mehrfache Aufführungen der Stücke) und abermals eine Entschädigung über 1.500€ und eine Monatsrente.
8.
Riesige Jury
Eine Jury bestehend aus Mathias Spahlinger, Wolfgang Rihm, Beat Furrer, Helmut Lachenmann, Bernhard Lang, James Clarke, Johannes Schöllhorn, Helmut Oehring, Georg Friedrich Haas, Georg Katzer, Gerald Eckert, Rolf Riehm, Marco Stroppa, Jorge Sanchez-Chiong, Iris ter Schiphorst, Charlotte Seither, Stefan Prins, Wolfgang Mitterer, Isabel Mundry, Adriana Höslzky, Claus-Steffen Mahnkopf, Mark Andre, Brian Ferneyhough, Nicolaus A. Huber, Orm Finnendahl, Manos Tsangaris, Wolfgang Petry, Udo Lindenberg, Jörg Widmann, Andrew Lloyd Webber, Moritz Eggert, Alexander Strauch, Wilhelm Killmeyer, Hans-Jürgen von Bose, Leopold Hurt, Alexander Schubert, Helmut Zapf, Hannes Seidl, Niklas Seidl, Martin Schüttler, Michael Maierhof, Hans-Werner Henze, Manfred Trojahn, sämtlichen Redakteuren für Neue Musik, allen einschlägigen Festivalleitern und Musikwissenschaftlern bestimmt das beste Stück. Bei Uneinigkeit der Jury können auch in ganz Deutschland freie Wahlen abgehalten werden.
9.
Digital Immigrants Prize
Bei Werken mit Elektronik bitte Patch oder Klangdateien als Ausdruck beilegen.
10.
Die andere andere andere Moderne
Stück muss tonal sein, bei der GEMA als U-Musik gemeldet sein, Strophenform aufweisen, durchgehend im 4/4-Takt stehen, keine komplizierten Harmonien haben, von einer Laienband spielbar sein, aber trotzdem Neue Musik sein!!
11.
Dogma 95/2012
Die „Dogme“-Regeln der dänischen Filmemacher müssen auf die Musik übertragen werden. Wie die Regeln übertragen werden, ist scheißegal, hauptsache irgendwas eingehalten.
12.
Kompositionspreis „Fremdarbeit“
Eingereichte Werke müssen klingen wie die Musik von Kreidler.
Preisgeld: 50 Dollar
13.
Der bombensichere Gewinner
Nur bereits bei den Donaueschinger Musiktagen aufgeführte Werke sind zugelassen, müssen verlegt sein und als professionelle Musikproduktion auf CD vorliegen. Teilnehmer müssen zudem 12 Gutachten von namhaften Professoren miteinreichen, dazu 8 bereits erhaltene Preise vorweisen und weitere 8 Empfehlungsschreiben von bekannten Komponisten beilegen. Beglaubigte Kopie des Kompositionsdiploms (Mindestnote: 1,2) samt Einzelauflistung aller besuchten Seminare (Scheine als Kopie anfügen) erforderlich. Zusätzlicher Vorweis einer Professur ist ausdrücklich erwünscht. Als Curriculum Vitae bitte die Kopie des Lexikonartikels im MGG. Bei gleicher Qualität werden Komponisten, die den Preis schon mal gewonnen haben, bevorzugt.
14.
Orchesterkompositionswettbewerb „W.R.“
Ausschreibung wird am 1.1. veröffentlicht, Deadline: 7.1. Stück muss aus diesem Jahr stammen.
15.
Top 5000
Aus den Einsendungen erhalten die besten 5000 Stücke den 1. Preis.
16.
Rihmen’s Musikpreis
Jedes Jahr pausiert ein Mitglied der Jury, damit es von den anderen rechtens den Preis zuerkannt bekommen kann.
17.
L.H.-Kadipreis
Die Entscheidung der Jury ist anfechtbar; der Rechtsweg ist nicht ausgeschlossen!
18.
John-Cage-Kompositionswettbewerb
Das Gewinnerstück wird per Los ermittelt.
19.
Raus aus der Schublade
Nur Stücke dürfen eingereicht werden, die im Zeitraum 1962-67 entstanden sind und noch nie aufgeführt wurden.
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Aphorismen des Tages:
Zielstrebigkeit als Ausnahme
Individualisierung als Form
Forte in der Flasche
Die komplizierteste Kadenz
Niederschriften kritischen Denkens
Gefahr
Klanglichkeit
Grundstrukturen des Gedankens
Nur das Nichtkünstlerische gelingt