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Kategorie Kritik der reinen Vernunft

Ein paar Gedanken über Guttengate

Überall ereifert man sich nun, den Abschreiberbaron von und zu Googleberg entlarvt zu haben, auch ich konnte mich der Häme nicht so ganz enthalten. Klar ist aber, dass wir alle in der Copy&Paste-Kultur leben, meiner einer redet ja seit Jahr und Tag davon, Kopieren sei eine Kulturtechnik usw. und ich habe in einer öffentlichen Aktion bei der GEMA den absurden Fall geschaffen, dass für ein 33sekündiges Musikstück 70.200 Formulare zur Anmeldung notwendig waren.

Ich bin absolut dafür, fremdes Material zu verwenden. (Dazu ein schöner Text von Bert Brecht.) Ich bin gegen 70.200 Formulare, ich bin gegen urheberrechtlichen Schutz bis 70 Jahre nach dem Tod des „geistigen Eigentümers“. Aber zumindest soll die Haltung des Remixers kenntlich sein, und meinetwegen, irgendwie, die Zitate auch, wie das eben möglich ist; in der Kunst sehe ich das wesentlich libertärer, in der Wissenschaft sollte wohl schon eine Form von Korrektheit bzw. Redlichkeit vorhanden sein.

Bei der heutzutage verfügbaren Informationsmenge ist es durchaus gegeben, dass eine Doktorarbeit reines Mash-Up ist, Textkorpus von 100 Seiten und Fußnoten/Literaturliste 1000 Seiten. Auch die Tatsache, dass eine Dissertation etwas „Neues“ allem Zitierten hinzuzufügen habe, stellt sich neu, wenn allein schon das Zusammenkarren von Tausenden Zitaten eine Arbeit und Leistung darstellt, die die Wissenschaft weiterbringt. Wenn erst mal alles digital ist, wird man vielleicht einfachere Formen des Zitierens in der Art von Hyperlinks oder Metadaten praktizieren können. Ich fände es gut, wenn „Guttengate“ auch in diese Richtung eine öffentliche Debatte losträte.

Ähnlich wie im Fall Helene Hegemann vermischen sich bei Guttengate leider zwei Dinge: Da hat jemand viele Neider oder ist einfach manchen mißliebig, und dann passiert demjenigen etwas mehr oder weniger moralisch Verwerfliches. In beiden Fällen ist dieses Malheur, dass beim „Abschreiben“ erwischt wurde; jetzt jagt man das Kopieren und Einfügen in eine Ecke von Annodazumal, als ob Unschuldige dastünden, die alles Recht zum Steinewerfen hätten, und dahinter nicht ein generelles Problem steckte: die Allverfügbarkeit von Informationen heute.

Ich mochte zu Guttenberg noch nie leiden. Früher wohnte ich fast neben dem Verteidigungsministerium, und prompt stand er mal neben mir an der Ampel. Er sieht aus wie ein wiedergeborener Monokelträger (Adel gehört endgültig abgeschafft!), outet sich als AC/DC-Fan (wahrscheinlich sind alle AC/DC-Fans CSU-Wähler) und gibt den Schwiegermutterliebling mit verzeihlichem Mangel an Gefühl für die Haargeldosierung. Es ist irgendwie auch typisch für Leute wie ihn, dass er in so ein Fettnäpfchen tritt – Kavaliersdelikte werden von „Kavalieren“ begangen. Unter seinem Kommando kämpfen und sterben Wehrmachtssoldaten deutsche Soldaten in einem von den USA bzw. den Öllobbyisten losgetretenen Krieg in Afghanistan. Er ist Teil einer Art Kaste in der Politik, und er ist in einer größtenteils bescheuerten Partei. Fort mit Politikern wie ihm! Aber andere Gründe halte ich für zwingender als seinen nebenher mit möglichst wenig Aufwand zusammengeklaubten Doktor, ob mit oder ohne Abschreiben, den er halt für die Karriere brauchte. Der jetzige Fall fügt sich nur ins Gesamtbild: Sein vom Wahlvolk verliehenes „summa cum laude“ entbehrt entsprechender Leistungen.

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sampled room

Aus der Reihe: Man kann heute jeden Schrott nicht nur in atonale, sondern auch in 4/4-Takt-Musik pressen:

Sampled Room from Mateusz Zdziebko on Vimeo.

(via ignant)

Google Museum View mit Street View – Verpixelung

Damit sich’s auch wirklich nach Google Street View anfühlt:

Von Ariel.

(via Aram Bartholl)

Radiotipp: Die Politik des Schaltkreises: Warum die elektronische Musik die Ideologiekritik braucht

Heute abend um 23.03h strahlt SWR2 eine sicherlich hörenswerte Sendung von Björn Gottstein aus. Sie beruht auf einem Vortrag, den Gottstein letztes Jahr bei den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik gehalten hat.

SWR2 JetztMusikDigitalisierung und Musik (II)

Die Politik des Schaltkreises: Warum die elektronische Musik die Ideologiekritik braucht

Sendung am Montag, 10.01.2011, 23.03 bis 0.00 Uhr

Von Björn Gottstein

Unter dem Titel „Die Digitalisierung der Neuen Musik. Ein Gedankenexperiment“ veröffentlichte der Philosoph und Physiker Harry Lehmann einen provokanten Text, der sich mit den Veränderungen und Auswirkungen der digitalen Medien auf das Komponieren von Neuer Musik befasst. Obwohl selbst ein Vertreter des avancierten Komponierens – also einem künstlerischen Schaffen, das an den Fortschritt in der Neuen Musik glaubt und denkt – riefen die Thesen Lehmanns prompt den Widerspruch des Komponisten Claus Steffen Mahnkopf hervor. Er antwortete dabei auf die Zustimmung, die Harry Lehmann durch den Komponisten Johannes Kreidler erfuhr. Daraufhin entspann sich ein heftiger Generationenkonflikt, der sich in mehreren Folgen in der Zeitschrift „MusikTexte“ niederschlug. Bislang ohne Ergebnis, aber mit weitreichenden Folgen. Die Darmstädter Ferienkurse griffen die Diskussion im vergangenen Sommer ebenfalls auf.

Und ohne jeden Zweifel: Natürlich haben die Entwicklungen der digitalen Welt einen tiefgreifenden Einfluss auch auf das Komponieren und das musikalische Denken der Neuen Musik. Braucht es in der digitalen Welt der globalen Vernetzung überhaupt noch Verlage? Was geschieht mit dem für die Neue Musik einst so wichtigen Materialbegriff, wenn alles im Internet verfügbar ist, wenn das Sampling wichtiger wird als das Erfinden? Wie steht es um die Instrumente, wenn diese längst durch die Elektronik erweitert, verändert und umgebogen werden können? Fragen denen sich die mehrteilige Reihe „Digitalisierung und Musik“ in SWR2 JetztMusik stellt.

Am Anfang war die Sinusschwingung: rein, neutral und unschuldig. Die Idee der elektronischen Musik ist eng mit der Vorstellung einer voraussetzungslosen und freien Kunst verbunden. Tatsächlich aber lagen der elektronischen Musik von Anfang an Prämissen zugrunde, die die Komponisten auf bestimmte Strategien und Sounds festlegten. Bis heute ist das Versprechen von Freiheit und Kontrolle, das mit den Apparaten einhergeht, Teil der Hybris, mit der sich die Elektroakustik schmückt. Auch der Computer wurde lange als neutrale Maschine, die Daten wertfrei verarbeitet und verwaltet, missverstanden, während Elektrokonzerne und Softwareprogrammierer die Musik stärker beeinflussen, als es den Komponisten lieb sein kann. Björn Gottstein fragt nach den Voraussetzungen einer Kunstform, die sich kaum mit ihren technischen und ökonomischen Bedingungen auseinander gesetzt hat.

http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/jetztmusik/-/id=659442/nid=659442/did=7118324/1r5fev3/index.html

Livestrom:
http://mp3-live.swr.de/swr2_m.m3u

In dem Zusammenhang auch ein Artikel vom Sommer aus der FAZ über die „dunklen Seiten der digitalen Welt“, gemeint ist die Rohstoffausbeutung der dritten Welt für alles, was mit Zahlen rechnet:

http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~E52081B8606DC4F619C9BC805BF41B0A1~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Templiner Manifest zur Lage der Lehrbeauftragten an Hochschulen

Ein leider sehr altes Thema: die skandalös unterbezahlten freien Mitarbeiter an deutschen Hochschulen z.B. auch an Musikhochschulen. Alles weitere wird in dem „Templiner Manifest“ genau erklärt und vor allem nachdrücklich dazu aufgefordert, diesen Mißstand endlich anzugehen:

http://www.gew.de/Templiner_Manifest.html

Wieviel würdest du bezahlen / verlangen?

Ich arbeite gerade an einem Konzept, bei dem unbescholtene Leute fürs Hören von Musik Geld bekommen. Dazu passt diese Website: „Everyone has a price“:

http://howmutch.com/#how_much_would_you_pay_per_month_for_unlimited_starbucks

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Rüstungsatlas Bodensee

Kein schöner Land! Unser guter Mittelstand! Da werden Arbeitsplätze gesichert!

Hier der Rüstungsatlas Bodensee.

Weiteres dazu bei der Geheimrätin (via).

Stayin‘ alive in the Wall

Da schlägt mein Herz mal wieder richtig hoch, wenn so ne peinlich-pathetische 70er-Nummer gekonnt verhohnepiepelt aufgewertet wird: Tom alias Wax Audio hat „Another Brick in the Wall“ (eine andere Verhunzung schon mal hier auf Kulturtechno, auch in „Feeds. Hören TV“) mit „Stayin‘ Alive“ gekreuzt. Es ist noch nicht mal mehr ein Hybrid, denn strukturell ist die tonale Musik völlig arm an Haltung.

Merke: Auch ein Weltkrieg endet als Witzobjekt am Stammtisch. (Hat Gottfried Benn sinngemäß gesagt.)

(via Glaserei)

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Harry Lehmanns Antwort auf Reinhard Oehlschlägel

Die Debatte um die digitale Revolution, begonnen in den MusikTexten und mittlerweile in Buchform gebracht, geht weiter – in der aktuellen Ausgabe der Positionen hat sich auch Orm Finnendahl zu Wort gemeldet („Die Digitalisierung begann in der Antike“), meiner einer hat geschrieben und Harry Lehmann hat eine Antwort auf Reinhard Oehlschlägels Editorial der letzten MusikTexte verfasst. Lehmanns Text heißt „Zum Begriff der digitalen Revolution“ und steht nun online:

http://www.harrylehmann.net/neu/wp-content/uploads/2009/05/Harry-Lehmann_Zum-Begriff-der-dig.-Rev.1.pdf

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Tote amerikanische Soldaten

Der Irak-Krieg lässt mich ja nicht los. Im Stück für das Ensemble Modern, „Living in a Box“, geht es um die Erweiterung des menschlichen Körpers, via Instrumente, via Samples. Folglich auch um die Klänge von Prothesen verstümmelter US-Veteranen des letzten Irakkriegs – eine Nussknackersuite.

(via Glaserei)

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