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Nazimusik im Selbstversuch – 1. Bericht von den „Feeds“-Proben

Spätfolgen des Zweiten Weltkriegs

Ich erzähle öfter, zuletzt in meiner Darmstadt Lecture, dass ich vornehmlich Musik verarbeite, die ich nicht mag. Das erzeugt in der Regel Diskussion – ob das denn wirklich stimmt?!

Hoffentlich ist das wenigstens in diesem Fall eindeutig: In „Feeds. Hören TV“ erklingt an einer Stelle ein altes Nazilied, noch teilweise von live-Instrumenten verstärkt. Was hat es damit auf sich?

Norbert Schultze (Quelle: Wikipedia)

Norbert Schultze (Quelle: Wikipedia)

Der Komponist des berühmten Schlagers „Lili Marleen“, Norbert Schultze, hat während des Zweiten Weltkriegs auch Lieder wie „Panzer rollen in Afrika vor“ oder „Bomben auf Engelland“ komponiert. Und statt dass dieser Schund verboten würde, ist er bis heute im Repertoire der GEMA enthalten. (Kann man im online-Katalog der GEMA recherchieren.) Nachdem Schultze ein schönes Leben hatte, hat er testamentarisch verfügt, dass fortan sämtliche Tantiemen aus Werken zwischen 33 und 45 ans Deutsche Rote Kreuz gehen. Jedesmal, wenn so ein Nazilied abgespielt wird, gehen die GEMA-Gebühren dafür ans Rote Kreuz. Das sind die Einnahmemodelle des Roten Kreuzes. (Ich wurde darauf von Martin Hufner hingewiesen, danke, Martin!)

Aktion „Nazilieder für Flutopfer in Pakistan“

In „Feeds“ werden wir dem DRK eine Spende geben, indem wir „Bomben auf Engelland“ spielen – denn dann müssen wir auch die GEMA-Gebühren dafür entrichten, die dann ans Deutsche Rote Kreuz weitergehen.

Eine Schwierigkeit, die ich allerdings gar nicht beachtet hatte, ist die Probenarbeit damit. Immer wieder diesen Nazischund hören zu müssen ist so grauenhaft, so unerträglich, dass der Part eigentlich unspielbar ist. Ich muss leider feststellen: Hier wird Musik zur existenziellen Erfahrung.

3 Kommentare

  1. Fliehkraftkontrolleverlierer sagt:

    Wie immer ein toller Blogeintrag. An einer Stelle möchte ich jedoch widersprechen. Du schreibst: „Und statt dass dieser Schund verboten würde, ist er bis heute im Repertoire der GEMA enthalten.“

    Ich muß sagen, ich bin kein Freund von Verboten oder Indizierungen. Der Grund ist der, dass man sich dann mit dem Verbotenen nicht mehr so gut auseinander setzen kann. So wie Du es ja auch tust, was wichtig und richtig ist. Dinge die unter den Teppich gekehrt sind vergißt man leichter.

    Dass der Titel noch in der GEMA ist und auch noch Tantiemen fließen ist natürlich total bekloppt.

  2. Kreidler sagt:

    Der Einwand ist berechtigt, wenn ich auch grundsätzlich schon denke, dass es in dieser Welt Verbote braucht.
    Eine kommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“ dürfte es langsam schon mal hierzulande geben (zumal man das Ding im Netz natürlich kriegt). Also, wenn nicht Verbote so sollte doch ein ganz anderer Umgang mit dem „Liedgut“ von Herrn Schultze geschehen als dass damit das DRK Geld macht.

  3. hump sagt:

    Könnten in diesem Fall nicht die Erben des Herrn Schultze eine Aufführung verhindern? Dann würde das Urheberrecht die Nazimusik vor „Mißbrauch“ schützen…