Quo vadis >Musik< ? Nachdem ich in den letzten Jahren zwei Texte dazu publiziert habe, Der erweiterte Musikbegriff und Der aufgelöste Musikbegriff, habe ich mit Hannes Seidl, der zu letzterem Text eine konträre Position eingenommen hat, einen Gedankenaustausch via Email geführt, der nun in den MusikTexten erschienen ist.
Snip aus Kreidl-Seidler:
Seidl: Ich würde sagen, dass der Rahmen die Betrachtungsweise auf ein Objekt oder eine Situation erst generiert und somit zu ,Musik‘, ,Film‘, ,Politik‘, was auch immer macht. Wenn ich Dich richtig verstanden habe, schreibst Du in Deinem Text „Der aufgelöste Musikbegriff“, dass der Rahmen ,Musik‘ sich in den generellen Begriff der ,Kunst‘ auflöst. Das finde ich grundsätzlich vorstellbar und Juliane Rebentisch hat diese Theorie ja bereits für alle anderen Künste aufgestellt (interessanterweise bislang aber nicht für die Musik). Die Frage wäre für mich dann aber: Warum bei Musik aufhören; man kann – wie Dietmar Dath – noch weiter gehen und gleich das Ende der Kunst antizipieren, die ja an sich fragwürdig ist.
[…]
Kreidler: Ich sehe Auflösungserscheinungen von ,Musik‘, aber weniger von ,Kunst‘ schlechthin. Meine Fragen gehen deshalb dahin, was denn harte Kriterien sind, nach denen sich Kunstpraktiken dennoch unterscheiden. Um die allgemeinsten zu nennen: Raum und Zeit. Einen Rhythmus, sei er mit Klang, Licht oder Video artikuliert – alles Medien, mit denen Komponist/innen als ,Rhythmus-Expert/innen‘ derzeit gerne gestalten –, erlebt das Publikum körperlich passiv, während es sich Kunst im Raum durch Körperbewegung erschließt. Materielle Objekte sind wiederum verkaufbar, während Zeitkunst flüchtig ist oder reproduziert werden muss. Und so weiter. Nach solchen Parametern sortiert sich nach wie vor vieles, während, das ist zunächst einfach meine interessierte Beobachtung, die Ordnung „Musik“ anfängt zu verblassen bzw. historisch wird.