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Immaterial

Auseinandersetzung / Abgrenzung von Geschichte / Traditionen (der Neuen Musik)

Endlich ist der Begriff Konzeptmusik verfügbar.

Es ist an der Zeit, den Konzeptualismus in der Musik herauszuarbeiten.

Warum Konzepte in der Musik. Warum wird der Begriff des Konzepts / Konzeptualismus‘ jetzt für die Musik stark gemacht. Weil es das unkonzeptuellste Medium ist. Nirgends ist so viel Ablenkung, so viel Konvention von Ästhetik.
Konzeptualismus in der Musik braucht einen beträchtlichen Aufwand an Gewalt. Das verleiht ihm die Energie. Hier gibt es etwas zu gewinnen, hier gibt es ein Anzugreifendes. „Wenige sind wert, dass man ihnen widerspricht.“
Vergewaltigung // Kastration

Konzeptualismus ist in den Kunstsparten Musik, Theater und Film schwieriger, weil diese eigentlich sehr viel Handwerk brauchen. Wenn es aber doch gemacht wird / gelingt, ist es um so provokanter. (Musik findet sich wieder in einer Philharmonie-Opulenz)

 

Spektralarschloch
Algorithmenarschloch
Romantikarschloch
Modernesarschloch

 

Konzeptualismus ist Begriffskunst.

„Es muß eine merkwürdige Vorstellung vom Menschen sein, die dahintersteht, von seiner Art und wie er hochge­kommen ist, unter Marienliedem offenbar, und sein Schöp­fungsakt vollzog sich milde im Schutz von Milchglasschei­ben. Ein ziemlich ungeschütztes Wesen aber, dieser Vor­fahr, die Haare fielen ihm auch noch aus, als er aus dem Quartär trat und rings um ihn die riesigen Echsen, er aber hatte nichts als die Waffe des Bewußtseins: den Gedanken, die sich sammelnde Erfahrung: den Begriff. Dessen Lautwerdung im Wort deutete bestimmt nicht auf historische Romane und farbenglühende Gemälde des Mittelalters, sondern vertrat Gewalt, und er selbst, der Begriff, war nie ein pazifistisches Gleitmittel, Kaffeeklatsch, kapitalistische Zwischensubstanz, um zwei faule Geschäfte aneinander zu kleben, sondern er schied Welt von Chaos, trieb die Natur in die Enge, schlug die Tiere, sammelte und rettete die Art. Schlägt bis heute: Drillbohrer gegen naturalistisches Ge­wäsch und ideologischen Dilettantismus, Aufbrecher der Wahrheit, Einbrecher in die andere, die allgemeine, die unsichtbare Welt, zwingend deren Dauer in die Nichtigkeit des Seins. Der große Mensch nimmt die Anstrengung des Begriffs auf sich, sagt Hegel, in der Tat: eine Anstrengung, zu seiner Herstellung bedarf es einer ungeheuer tragenden Verantwortung vor Vergangenem, eines außerordentlichen Wissens um Beziehungen und Sachverhalte und einer unge­heuren Intuition für Annäherung und Morgenröten, denn er prägt sowohl als er auch deutet, er ist gesetzlich, und alles Kriminelle bekämpft ihn von Natur. Alles [Feminine] flieht sein Licht, denn er zerstört schonungslos das Weiche, das Subjektive, und über gewisse Eitelkeiten wirft er leicht einen Donner von Gelächter. Er ist der objektive Geist, und es ist klar, daß alle Stimmungsprofiteure gegen ihn nässen, seine Proportionen gefährden ihre Maße, ihre Sei­tenzahlen, darum muß er von jeher und zu allen Zeiten seine Schritte immer wieder aus ihrem Geifer und aus ihrem Fusel ziehen.

Aber sein Haupt bleibt oben, einsam und verwittert – die kleinen Hirnblasen schmelzen sich ihre Assoziationen zu, nicht jeder darf denken. Für viele ist der Filz um die Telephonglocke und der Obstbaum vorm Fenster gut. Nur der darf zugelassen werden zum Denken, der diese unge­heuerliche Kraft einer einzigen späten, massenmäßig gerin­gen Art auch durch die äußerst erreichbare Formulierung, die gespannteste Wendung bändigt und stählern begrenzt, der das Gefühl hat für diese Grenze und die Ergebenheit vor dieser Grenze. Es ist wie in der Kunst. Der äußerst erreich­bare Ausdruck muß erkämpft und gehalten werden mit einer Schärfe, die aufs rücksichtsloseste alles teilt und scheidet, aber man muß wissen, ob man zu weiteren Formulierungen noch berufen ist. Verliert man den Instinkt hierfür, wird man titanisch, statt formverfallen und ausdrucksverschworen; man wird rückfällig in die vorpameelensche, in die infantile faustische Welt.“
Aber immer auch eine Relation zum Akustischen, zu einem medial Verschiedenen.
Anstrengung, Ausstrengung, Strenge / Strang des Begriffs.
Begriffliche Zuspitzung, Übertreibung, der Übertrieb.
Begriff ohne Eingriff – Prozesskunst. Das ist nicht so sehr zeitlich zu verstehen. Wir erfahren das Resultat eines Prozesses, der selbständig ablief; nicht die Genese.
Reifen geht nur ohne Eingreifen.

Konzeptualismus ist Begriffskunst, wie der Surrealismus.
Konzeptualismus ist eine Form von Surrealismus. Magritte.
Keine Abstraktion ist real. Hier wird Transzendenz verhandelt.

5 Kommentare

  1. @Johannes: Die heute leider weitverbreitete Ablehnung/Skepsis unter Intellektuellen gegenüber ästhetischer Kritik unter nicht-ironischer Verwendung konsistenter Begrifflichkeiten ist m. E. *auch* eine Folge falsch verstandenen „Dekonstruktivismus“ – und da mag der von geschätzte Jacques Derrida leider nicht ganz unschuldig dran sein.

    Fruchtbarer ästhetischer Diskurs ist eben nur möglich, wenn alle Akteure ihre Begriffe (also die Werkzeuge ihrer Kritik) auf zumindest ähnliche Art und Weise verwenden. Stattdessen erleben wir heute üblicherweise Folgendes:

    [Ein Stück Musik wird gehört.]
    Akteur A: Das ist doch eindeutig [nennt einen Begriff, z. B. „Post-Serialismus“]
    Akteur B: Finde ich gar nicht.
    Akteur A: Aber die Komposition verwendet doch [nennt Mittel postseriellen Komponierens].
    Akteur B: *Für mich* sind das aber keine Mittel postseriellen Komponierens, ich verstehe darunter [nennt weitere Mittel postseriellen Komponierens, die keine Schnittmenge mit A.s Liste haben].
    Akteur A: ???
    [Ende der Diskussion. Alle sind genervt und halten den jeweils anderen für uninformiert, wenn nicht gar „dumm“.]

  2. Kreidler sagt:

    Vielleicht geht Diskurs (mal wieder) nicht mehr. In der superpluralen Welt hat jeder seine eigenen Referenzen, gar „dumm“ sind nur die, die keine eigenen haben.
    Statt Diskurs haben wir dann halt Information. Ich versuch’s positiv zu sehen.
    (Wie ich früher schon mal geschrieben habe: Man kann sich in der Neuen Musik nur noch um Geld streiten.)

  3. @Johannes: Hm, dann wäre der Diskurs um den Neuen Konzeptualismus lediglich ein „Informationsverarbeitungsgeschehen“?

    [Denkgeräusch]

    Vielleicht gar nicht so verkehrt, denn Konzeptmusik hat es ja bisher tatsächlich bisher so nicht gegeben (trotz Ansätzen in Fluxus etc.). Jetzt, wo alle, die es interessiert, wissen können, dass es sie gibt, ist der (Pseudo-?)Diskurs (nach meinem Kenntnisstand) auch schon wieder vorbei bzw. alles, was ich jetzt noch an „Kritik“ vernehme, hört sich nach Rückzugsgefecht bzw. dem üblichen, völlig undifferenzierten Kulturpessimismus an.

  4. Kreidler sagt:

    Ja, so könnte man das beschreiben.