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22 music pieces for video

Dieses Jahr standen die Donaueschinger Musiktage unter dem Motto „und+“, womit Komponisten gemeint waren, die auch in anderen Medien künstlerisch tätig sind. Ich hatte den Auftrag, eine neue Videoarbeit für die Ausstellung zu machen. Here it is.

 

Aus dem Katalog:

Johannes Kreidler gilt als einer der Hauptvertreter einer Richtung, die als „Neuer Konzeptualismus“ bezeichnet wird. Diese programmatische Ankündigung ist nur auf den ersten Blick aufwühlend, denn die Konzeptkunst hat bereits seit den 1960er Jahren ausprobiert, wie es möglich ist, mit Musik Kunst im Sinne des Kontextes zu machen. Hinter der Geschichte der Konzeptkunst steckt die Idee der Institutionenkritik, wie sie frühestens mit Marcel Duchamps berühmter skulpturaler Geste eines ausgestellten Urinals, dervon ihm so benannten Fontaine, ihren Ausgang nimmt. Etwas vom Geist dieser Institutionenkritik scheint gleich am Anfangvon Johannes Kreidlers Videoarbeit 22 music pieces for video durch. Auf einem sechzehnfach geteilten Monitor begeht der Komponist in sechzehn unterschiedlichen Handlungen Selbstmord. An späterer Stelle tauchen andere Formen des kompositorischen Selbstmordes auf. Das Komponieren also am Ende? – Zumindest in seiner konventionellen Form als niedergelegte Schrift in Form einer umzusetzenden Partitur. So jedenfalls könnte man eine dieser Grundideen der Videoarbeit verstehen. Es handelt sich aber auch um eine der Grundfragen eines Bildes von einer Komposition, denn in Form einer Partiturschrift kann Musik auch ein Bild sein.
[…]
Diese das Video durchziehende Sprachskepsis hat ihren Vorläufer in der konkreten Poesie, die Kreidler in der durchgängigen Verfahrensweise seines Videos zitiert. Zu sehen ist das berühmte „Apfel-Gedicht“ von Reinhard Döhl. In ungefährer Kreisform angeordnet, formt das wiederholte „Apfel“-Zeichen das Bild eines Apfels, in dessen rechter Ecke der Wurm als „Wurm“ steckt. So wie in Döhls wunderbarem Gedicht Schrift, Sprache, Lesen und Sprechen in einem Augen-Blick auseinander dividiert werden, lässt auch Johannes Kreidler Bild und Klang auseinander fallen, um dennoch ein funktionierendes Ganzes zu bilden. Der Komponist also doch nicht am Ende? In der Tat handelt es sich nicht um 22 Stücke für Musik, sondern – so der korrekte Titel der Videoarbeit – um 22 Musikstücke für Video. Das heißt, die Videotechnik mit ihren Schnittfunktionen, ihren Möglichkeiten der Synchronisation von Ton und Bild und die Multiplikation des Bildes in zahllose Bildfelder sind die neuen Kompositionstechniken, die in derTat nichts mehrzu tun haben mit dem traditionellen, arbiträren Zusammenhang von Schrift und Klang. Insofern überlebt der Komponist doch am Ende und die bildliche Behauptung seines Selbstmordes am Beginn ist eben nur eine Behauptung. Da sie aber schon penetrant sechzehnmal behauptet wird, muss sie auch nicht wahr sein. Und so manch böser Scherz wird um die ewige Wahrheit der Musikgeschichte getrieben: Drei mit „This is old“ beschriebene CD-ROMs werden in ein akustisches Lesegerät geschoben. Zu hören ist dann Beethovens Für Elise. Und die vom Kreidler’schen Scanner gelesene Stille John Cages kann sehr beredt sein.

Bernd Künzig

Die Stuttgarter Zeitung schreibt:

Auch der Komponist Johannes Kreidler bewegt sich in seiner unter Aspekten der musikalischen Form und Technik geschnittenen Video-Installation „22 Stücke für Musik“ intelligent zwischen Klang und Bild – wobei er nicht nur bei seiner multiplen Selbsttötung auf einem sechzehnfach geteilten Bildschirm mit bizarrer Selbstironie den Zusammenhang zwischen Zeichen und Bezeichnetem infrage stellt.

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.donaueschinger-musiktage-ich-glaub-mein-schwein-pfeift.e62cbcf3-ab00-44fa-8135-e88c52334fb3.html

Ein Kommentar

  1. Konstanze A. Schiemenz sagt:

    Neuer Konzept-ual-ismus: 0. Wo kommt die Musik her?