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Kategorie Kritik der reinen Vernunft

Tageslink

Auf den Bad Blog of Musick habe ich ja schon hingewiesen, trotzdem noch ausdrücklich der Link zum aktuellen schönen Text von Arno Lücker:

http://blogs.nmz.de/badblog/2009/05/07/abschlussbericht-des-patienten-l/

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Oh Mensch! (Update)

Bin mitten in der Probenphase mit dem Ensemble Modern – sechs junge Komponisten haben neue Stücke geschrieben, die am Sonntag und Dienstag dann zu öffentlichem Gehör gebracht werden.
Was mir völlig unerklärlich ist: Warum suhlen sich meine altersgenössischen Komponistenkollegen dermaßen in minutenlangem fortissimo-Pathos? Ich denke nicht dass wir in pathetischen Zeiten leben. Ich mag ja Expressionismus, aber seinerzeit gab’s auch einen Weltkrieg und einen ersten Hochindustrialismus, der verdaut werden musste. Da sind wir heute doch etwas weiter.

Update: Nicht dass man denkt ich lästere hier hinterm Rücken – In der Kneipe wird natürlich auch Tacheles geredet. Speziell zwei Stücke haben bereits von der Gruppe den Spitznamen „Macho Pieces“ erhalten.

Tageslink

Der Urheberrechtsexperte Till Kreutzer schaut mal genau in / denkt über AGB in Verträgen mit Urhebern nach. Jeder kennt ja den Stress, seitenweise Kleingedrucktes unterschreiben zu müssen. Darum ist auch Kreutzers Text zwangsläufig juristischer Stress, aber sehr informativer:

http://irights.info/index.php?id=761

Sein Fazit:

Davon, dass das seit 2002 geltende Urhebervertragsrecht gemeinsam mit dem AGB-Recht einen „lückenlosen Schutz“ bietet, wie es sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auf die Schulter klopfend selbst attestiert, kann nach alledem keine Rede sein.

Frei nach Kafka:

Urheberrechte abgegeben. Geweint.

Frankfurt 1

Hotel 2.0: In jedem Hotelzimmer gibt’s ein Display, das bei Betreten mit der Aufnahme eines Aquariums startet, und dazu entweicht sanft den Lautsprechern ein Meeresrauschen. Hab den elektrischen Stöpsel gezogen.
Bemerkenswert der saisonale Unterschied: Letztes Jahr gab’s die Aufnahme eines Kaminfeuers.

Frei nach Kafka:

Elektrisches Aquarium betrachtet. Geweint.

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Zum Bad-Boy-Blog 1

Es geht schon hoch her im neuen NMZ-Blog und das soll gar nicht durch voyeuristische Freudenbekundungen beeinträchtigt werden. Ich möchte vielmehr dazu bemerken: Ein neuer Blog hat immer eine Selbstfindungsphase, gerade wenn es mehrere Autoren gibt, das Thema noch nicht abgesteckt ist und sich die Leser / Kommentatoren auch erst einfinden. So weit, so spannend. Im konkreten Fall geht es um die Selbstdefinition bzw. Selbst-Outing. Der Blog will kritisieren, und das führt meines Erachtens kaum daran vorbei, dass die Kritiker ihre eigene Position gründlich reflektieren. Für die eigentliche Kritik mag das gar nicht nötig sein, man kann ja erst mal intuitiv etwas nicht mögen und dann Gründe suchen, aber da es hier auch um mehr oder wenige persönliche Gegenüberstellungen geht, ist Haltung guter Stil und, sofern man das will, konstruktiver.

Größtes Vorbild in der Musikwissenschaft / Musiktheorie ist m.E. immer noch Carl Dahlhaus, der – mit stilistischer Brillianz – immer die eigene Position und Methode zunächst gründlich ausdifferenzierte, um zum Gegenstand vorzudringen.

Anti-Zensursula – Petition

Eine digitale Unterschriftenaktion gegen die Zensursula, wobei ich wieder mal nicht durch den Server der Petition komme, probier’s später wieder.


http://netzpolitik.org/2009/anti-zensursula-petition-unterzeichnen/

Lob für die deutsche Bahn

Das ist jetzt ziemlich unzeitgemäß und geradezu subversiv, aber ich möchte die Deutsche Bahn AG loben. Nicht (aber eigentlich natürlich auch) weil ihr Chefhartmut endlich den Arsch versohlt kriegt Hut zieht, sondern weil sie auf mich hört, ja, mich persönlich, und zwar schon zum zweiten Mal:

1. Ende 2007 strich die DB den letzten Zug abends von Rostock nach Berlin, was für mich Rostock-Pendler ziemlich scheiße war, musste auf eigene Kosten dann dort noch übernachten. Protest-Mail, wenig später gab’s den Zug wieder.

2. Vor zwei Wochen hab ich mich endlich darüber beschwert, dass im RE Berlin-Rostock seit Monaten auf den Displays in den Wagen alle zwei Minuten eine Nicht-Nachricht über das Liebesleben von Paris Hilton ausgestrahlt wurde. Noch am selben Abend auf der Rückfahrt und seither blieb ich von der Dame gänzlich verschont.

Danke, DB AG!

Frei nach Kafka:

Der Deutschen Bahn gedankt. Geweint.

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Die FAZ zur Finanznot des HR

Der Hessische Rundfunk muss sparen, sparen, sparen und das betrifft u.a. das geplante Hörspiel, das ich 2009 für den HR machen sollte. Vielleicht klappt’s ja 2010, falls der FAZ-Artikel beherzigt wird:

http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~EEA9D14964A40428D922B1B86C30E85FD~ATpl~Ecommon~Scontent.html

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Der gläserne Deutsche

Eine TV-Dokumentation zum Thema Überwachung (siehe meine Aktion Call Wolfgang), zu der ich sekundieren kann:
Im Studium habe ich mehrmals Fragebögen bekommen zur „Verbesserung der Hochschulstruktur“, alles anonym natürlich, aber: Hätte ich alle Fragen („männlich/weiblich?“, „welche Studienrichtung?“ usw.) beantwortet, hätte man aus diesen Informationen zweifellos am Ende auf nur einen Studenten an der Hochschule schließen können, mich natürlich. So viel zur Verharmlosung von scheinbar nur allgemein-statistischen Informationen.

(Die Fragebögen konnte ich ablehnen. Bei der Vorratsdatenspecherung meines Email-Verkehrs kann ich das nicht; so weit ist es gekommen, und als nächstes folgt die Internet-Zensur. Wehret den Anfängen, hat man früher gesagt; jetzt ist der Damm aber schon gebrochen. Fuck.)

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Offener Kommentar einer Polemik

Dass die Remix-Kultur nicht nur Freunde, sondern auch entschiedene Feinde hat, gab überhaupt meiner GEMA-Aktion erst jene Brisanz, die das mediale Interesse wohl zu Recht auf sich gezogen hat.

Die meines Wissens schärfste Polemik hat nun der Komponistenkollege Art-Oliver Simon verfasst.

Grundsätzlich freue ich mich ja über Auseinandersetzungen mit meiner Arbeit, nur kann ich hier ein paar Sachen einfach nicht unkommentiert lassen:

Wenn Komponisten wie Johannes Kreidler in einer medienwirksam inszenierten Aktion ein 30-Sekunden-Musikstück mit 72.000 Fremdanteilen schriftlich bei der GEMA anmelden,

Obwohl ich den Verfasser noch auf den Fehler aufmerksam gemacht hatte, hat er es nicht für nötig gehalten zu korrigieren, dass es sich um ein 33sekündiges Stück mit 70.200 Fremdanteilen handelt. Kleinigkeiten, aber wer polemisiert darf nun mal mit den Fakten nicht schlampen.

um sich dann vor laufenden Kameras und vor den Augen der hochrangigen GEMA-Verantwortlichen für “Reformen” und Änderungen dieses – in seinen Augen zu bürokratischen Verfahrens – einsetzen (Reformen wohin? – Änderungen wofür und wogegen?),

Hier wird das Ganze so dargestellt, als ob ich keinerlei Alternativen im Zuge der Aktion genannt hätte. Kann man alles hier nachlesen.

Weiter:

Dieser von mir beschriebene Ist-Zustand führt dann Komponisten wie Johannes Kreidler zum nächsten, in seinen Augen konsequenten Schritt, nämlich der Meinung zu sein, geistiges Eigentum würde per se der Enteignungsmaschinerie der Medienindustrie unterliegen.

Habe ich nie behauptet. Im Gegenteil, in einem Interview zur GEMA-Aktion sagte ich:

„T: Aber wenn Neonazis Ihre Musik für einen Werbefilm einfach verwenden?
K: Dann habe ich einfach Scheiße komponiert.“ [link]

Was sich „enteignen“ lässt ist eine ästhetisch-ökonomische Frage. In der Neuen Musik wird z.B. auch geklaut, aber von „Medienindustrie“ kann dabei kaum die Rede sein. In meinem Product-Placements-Essay habe ich auch geschrieben:

„Es hat auch sein Gutes, dass die Neue Musik gesellschaftlich und ökonomisch so gut wie irrelevant ist: Ihre Narrenfreiheiten reichen bis zur praktischen Rechtsfreiheit. Niemandem kommt es hier in den Sinn, Ideenklau oder getreue Übernahmen einzuklagen, denn es gibt monetär (und moralisch) nichts zu holen. Jörg Widmann kann vor einer Gruppe Jugendlicher in Hitzacker ungeniert behaupten, gewisse Klavierspieltechniken selbst erfunden zu haben, die tatsächlich seit spätestens den 1960ern kursieren. Dafür gibt es nur einen kunstwissenschaftlichen Ausdruck: Eklektizismus.“

Im Weiteren steht aber vielmehr zur Diskussion, was überhaupt geistiges Eigentum sein soll. Dazu sind in den letzten Monaten etlichste Artikel verfasst worden, die Creative-Commons-Bewegung etwa zeigt an, welche Differenzierungsgrade heute denkbar sind, und gerne verweise ich aufs jüngst gebloggte Zitat von Goethe.

All das ist auf meiner Website und meinem Blog gut einsehbar nachzulesen, die Mühe hätte sich Herr Simon schon machen dürfen, statt leichtfertiger Unterstellungen. Eben diese Leichtfertigkeit gipfelt im folgenden Passus:

Lassen wir ihn also selbst zu Wort kommen: “Kennzeichnend für meine Ästhetik einer “Musik mit Musik” ist die Enteignung und Zweckentfremdung. Mir wurde einmal unterstellt, dass ich die Musik ja eigentlich hassen müsste, wenn ich so mit ihr verführe. Nun, in der Tat fühle ich mich nicht der sogenannten “Tradition” verbunden, oder wenn es überhaupt eine Tradition gibt, in der ich mich verwurzelt fühle, dann sind das ein paar wenige Stücke aus der Neuen Musik der letzten 30 Jahre, nicht aber Kunst aus der Zeit der Postkutsche.” (Johannes Kreidler – Musik mit Musik/Positionen 2007).

Stellungnahmen wie diese kommen für mich einer geistigen Notenverbrennung gleich, bedeuten sie doch nichts anderes, als Kunstprodukte, die älter als 30 Jahre sind und somit noch nicht der medialen Verwurstung der Jetztzeit unterlagen (einer Verwurstung, die durchaus auch auf Freiwilligkeit beruht, denn ein Ideenproduzent ist als potentiell frei handelndes Subjekt nicht gezwungen, sich dem Diktat dieser Verwurstung zu beugen und auf diesen Zug aufzuspringen), als “Postkutschen”kunst dem heutigen Kommunikationstempo deshalb auch nicht mehr gewachsen zu sein scheinen und somit dem Feuer des Hegelschen Weltgeistes (dessen Enzym in Kreidlers Konzept die mediale Beschleunigung ist) übergeben werden können, für bedeutungslos zu erklären.

Notenverbrennung! Da spart jemand ja nicht gerade an Vergleichsmasse, es müssen schon die Nazis sein, die meiner Haltung gleichkommen. (N.B.: Gestern stand da noch „Bücherverbrennung“, was ich mir verbeten habe, aber zu mehr als der kleinen Kosmetik war der Verfasser dann doch nicht gewillt.)
Zugegebenermaßen ist die zitierte Stelle von mir eine gewisse Provokation, obwohl es eigentlich nicht so verwunderlich sein dürfte, wenn ein zum Zeitpunkt des Verfassens 28jähriger Komponist erklärt, dass er sich in der Musik der letzten 30 Jahre zu Hause fühlt. Herr Simon spart, bewusst oder ebenso leichtfertig-ignorant, ja einfach die Sätze danach aus, in denen ich wiederum schreibe:

„Das soll keine Ignoranz bedeuten, ich spiele seit meiner Kindheit leidenschaftlich gern Klavier, unterrichte an der Hochschule Kontrapunkt und Harmonielehre und betätige mich in der musiktheoretischen Forschung. Ansonsten ist Popmusik die Musik, die ich freiwillig und unfreiwillig am meisten höre. Jedoch offenbart sich meinem Klanggefühl heute ein durchweg künstlich aufrecht erhaltenes und pornografisch ausgebeutetes „Triebleben der Klänge“; und fast nur noch von der distanzierten Position des Schneidetisches aus wird mir dieser Klang wieder zur Musik.“

Hier wird auch klar, dass ich mich gegen einen musealen Konzertbetrieb sträube; dass ich die traditionelle Musik ALS traditionelle höchst schätze, kann eigentlich nicht übersehen werden, wenn man in meiner Bio liest, dass ich klassische Musiktheorie studiert habe und seit Jahren an der Hochschule unterrichte, und dazu auch schon einige wissenschaftliche Aufsätze publiziert habe. Nur als Komponist habe ich den Anspruch, etwas NEUES zu schaffen, alles andere wäre die Mühe und Subventionen nicht wert, und hierbei möchte ich mich, nicht zuletzt aufgrund von Verehrung, gar nicht großspurig in die Beethoven-Tradition einreihen, wie es andere – ungebührend – gern von sich verkünden. Ich empfehle am Rande die Lektüre von Adornos Text „Bach gegen seine Liebhaber verteidigt“.

Simon weiter:

Ebenso wie Internetbeziehungsportale suggerieren, dass man Liebe und eine neue Beziehung mit einem Mausclick und einer einfachen Kreditkarten-transaktion in Sekundenschnelle realisieren kann, ebenso wie akademische Studienabschlüsse heute mit Hilfe eines supermodernen Labtops und dem schnellen Durchpausen und Zusammenkleben geistigen Eigentums aus dem Internet beschleunigend vorangetrieben werden können, ohne ein einziges Milligramm an eigenständiger geistiger Urheberschaft von einem selbst abzuverlangen, so fordert uns die schöne neue und zutiefst sexuell aufgeladene Medienwelt zum ständigen und Lustgewinn versprechenden Ehebruch (du sollst fremdgehen) und zu permanent kriminellen Verhaltensweisen heraus (du sollst stehlen – du sollst deinen Nächsten töten). Und suggeriert den neuen kategorischen Imperativ: Wer sich dieser Rutschbahn der geistigen Werte nach unten verweigert, der bleibt zurück und macht sich des Vergehens schuldig, sich gegen die Beschleunigung der Wertschöpfungskette zu stellen und damit Sand im Getriebe dieses Systems zu sein, ein Vergehen, was mit ökonomischem Untergang oder mindestens mit dem endgültigen Entzug sexueller Energie bestraft wird.

Genau, Filesharen ist wie Morden und komischerweise auch noch Teil der Wertschöpfungskette (schon mal was vom Darben der Wertschöpfungsketten der Musikindustrie gehört und dem Sand, der da im Getriebe knackt?). Remix ist in keinster Weise selbst kreativ, und irgendwas krud-sexuelles mischen wir da auch noch argumentativ ins Sammelbecken dieser zwei Riesensätze ein. Diese Undifferenziertheit habe ich bislang noch nicht mal bei den radikalsten Remix-Gegnern angetroffen. Ich denke es genügt, auf etliche Einträge in diesem Blog zum Thema „Kopierrecht“ zu verweisen.

Zum guten Schluss heißt es:

denn für mich ist eine “konservative” Haltung im Felde der Kunst lediglich die Bewahrung einer Möglichkeit, nämlich Kunst oder ein gutes Musikstück zu produzieren und der Kampf gegen diejenigen (sich zweifelhaft “progressiv” nennenden) Akteure, die diese Möglichkeit bekämpfen, einschränken und schließlich ganz abschneiden wollen.

Kreidler, der erklärte Totengräber der Kunst! I am sorry, ich kann an der Stelle nicht mehr, außer sagen: Bullshit.

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