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Austritt als Attacke. Zu Michael Rebhahns Manifest „Hiermit trete ich aus der Neuen Musik aus“

In der aktuellen Ausgabe der schwedischen Zeitschrift für Neue Musik „Nutida Musik“ ist der Text „Hiermit trete ich aus der Neuen Musik aus“ von Michael Rebhahn (früher auf Kulturtechno) abgedruckt. Zusätzlich wurden einige Komponisten um Statements zu diesem Text gebeten.

Mein Statement:

Austritt als Attacke

Zu Michael Rebhahns Manifest „Hiermit trete ich aus der Neuen Musik aus“

Austritt aus der Neuen Musik, eine Formulierung, der fast schon wieder verdächtig allseits applaudiert wird, findet für mich in der Umkehrung statt: im tabulosen Eintritt in die Neue Musik, Dinge, die bislang wenig bis gar nicht zugehörig erschienen, werden inkludiert – Popmusik, Trash, Performance, Konzepte, Video. „Neue Musik“ ist dann weniger per definitionem „atonal und auf traditionellen Instrumenten gespielt“, sondern ein Wahrnehmungsmodus.
Damit ist, wie Rebhahn eingehend beschreibt, eine Art linguistic turn der Neuen Musik verbunden: Statt Tonhöhenstrukturen werden endlich die institutionellen und ökonomischen Bedingungen analysiert. Originalität, Etikett, Oeuvre, Lebenswelt, Sozialgefüge im System Neue Musik, all das sind Momente des Werks selbst, dieses Bewusstsein dringt allmählich seitens der jüngeren Generation durch. Die Komponisten treten aus dem Inneren des Rahmens aus.
Ich begrüße Rebhahns Text sehr, er kam offensichtlich zur rechten Zeit am rechten Ort. Was ich mir als nächstes seitens des Musikdenkens wünschen würde: dass auch Namen fallen. („Letzte Warnung an die Deutsche Bank: Beim nächsten Mal werden Namen und Begriffe genannt.“ Joseph Beuys) Es würde der initialen Provokation weitere hinzufügen. Wer weiß, wieviele von den Komponisten, die Rebhahn nun akklamieren (mich eingeschlossen), von ihm gerade nicht im Positiven gemeint sind.

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Anlässlich des Textes wird Anfang April an der Harvard University eine kleine Konferenz stattfinden, zu der Rebhahn, Hannes Seidl, Harry Lehmann und ich eingeladen sind.

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Aphorismen des Tages:

 

Unvorhersagbares Andante

Das Akustische unterdrücken

Wahrheit Tradition Spur

Berlin-Kadenz

Schönbergs Arbeitsaufzeichnungen

Als ist alles Handbuch

Sprache
Sein
Lied

2 Kommentare

  1. Mark Steinhäuser sagt:

    Bin schon lange aus der „Neuen Musik“ ausgetreten.
    Was ein pradoxer Haufen! Sich „Neu“ per definitionem zu nennen, aber neue Ideen zu bekämpfen…
    Ausserdem, es gibt überhaupt nichts „Neues“, nur Dinge die darauf warten entdeckt, verstanden zu werden. Dogmen helfen dabei nicht, nur die Öffnung des Geistes, loslassen von Denkmustern.

    Take a step back, look at it again: it´s a piece oh s**t!

  2. Der Vollständigkeit halber hier auch noch mal der Hinweis auf *mein* Statement zu Rebhahns Text (vom 8. Oktober 2012): http://stefanhetzel.wordpress.com/2012/10/08/der-komponist-von-heute-neugierig-informiert-erfahrungsoffen/

    @Johannes: Im Übrigen unterstütze ich dein Statement vollinhaltlich: Inklusion statt Exklusion! Neue Musik ist kein Stil, sondern ein „Wahrnehmungsmodus“: Jawoll!