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Text über die „gehaltsästhetische Wende“

Schon oft habe ich den Gedanken der „gehaltsästhetischen Wende“ aufgegriffen, den Harry Lehmann in die Welt gesetzt hat, so wie auch viele andere – fast schon zu viele – diesen Ausdruck nun begrüßen. In der März-Ausgabe der schweizer Zeitschrift dissonance ist ein Text von Lehmann, „Digitale Infiltrationen. Die gehaltsästhetische Wende der Neuen Musik“ abgedruckt, und steht jetzt auch online:

http://www.dissonance.ch/upload/pdf/diss117_04_hb_hl_infiltrationen.pdf

Die Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts kennt eine ganze Reihe von «Turns»: den «Linguistic Turn», den «Cultural Turn», den «Iconic Turn», den «Pragmatic Turn» und viele mehr. Dieser in Amerika geprägte Begriff, den man mit «Wende» ins Deutsche überträgt, markiert einen Perspektivwechsel. So kam es in der Philosophie zu einer «linguistischen Wende», als man daran zu zweifeln begann, dass uns die Dinge an sich in ihrem Sein oder in unserem Bewusstsein zugänglich sind, und man statt dessen von der Prämisse ausging, dass die Sachverhalte dieser Welt immer schon sprachlich vermittelt sind. Die traditionellen Fragen der Philosophie – wie wir die Welt erkennen können, wie sich moralische Gesetze begründen lassen oder was «Wahrheit» ist – wurden aus einem sprachphilosophischen Blickwinkel reformuliert. Für solche «Turns» gibt es normalerweise einen Auslöser in der Wirklichkeit, zum Beispiel als mit der Verbreitung von Presse und Rundfunk im 20. Jahrhundert die sprachliche Konstruktion von Bedeutung in der Kultur immer augenfälliger wurde. Die linguistische Wende war also eine Reaktion auf reale Transformationsprozesse der westlichen Kultur.