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Wie Komponist und Regisseur zusammenarbeiten können

Aktuell kursiert die Meldung, dass Olga Neuwirth aus Protest gegen die mangelnde Kooperation des Regisseurs vor der Premiere ihrer neuen Oper aus Mannheim, dem Uraufführungsort, abgereist ist. Hier ihr Statement, ich zitiere daraus:

“Der Grund meiner Abwesenheit bei der Premiere meiner neuen Oper THE OUTCAST nach Herman Melvilles Leben und Werk in Mannheim gestern. Die Misshandlung auf allen Ebenen ist schwer zu verkraften. An dem Stück habe ich 5 Jahre gearbeitet. Und auch wieder: armer Herman Melville!

Hier mein offizielles statement:

Da ich, wie ich glaube, eine professionelle Komponistin bin, die seit 25 Jahren in diesem Business international tätig bin, habe ich auch erwartet, daß meine Wünsche zumindest angehört werden und mir eine kooperative Zusammenarbeit ermöglicht wird. Darunter verstehe ich, dass ich gerade bei einer Uraufführung ein Mitspracherecht bzw. Mitüberlegen habe was Regisseur, Bühnenbild, Sänger, Chöre und Tontechnik betrifft, damit die Bedingungen für ein neues Musiktheater zur allgemeinen Zufriedenheit gelöst werden können.
Ich wurde aber in die meisten Entscheidungen nicht eingebunden und auf Einwände und Vorschläge – auch während der Probenzeit – wurde nicht gehört bzw. ich wurde nie nur ein einziges Mal vom Regisseur gefragt, was wir uns bei THE OUTCAST gedacht haben.

Was jeden Normalmenschen an den Kopf greifen lassen muss: Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Da schreibt die Komponistin fünf Jahre lang an einem Musiktheaterwerk, ohne mit dem Regisseur darüber zu sprechen (bzw. „von ihm gefragt zu werden“), was sie sich dabei denkt?

(Hat sie eigentlich Herman Melville gefragt, den armen?)

Ich hatte hier schon mal mein Statement zur Produktion von Musiktheater gebracht, ist auch in meinem Buch abgedruckt. Dazu sei ergänzt:

Ohne Anspruch auf Patentrezepte sehe ich zwei Möglichkeiten, wie ein neues Musiktheaterwerk heute angegangen werden kann:

1. Es gibt einen Chef, der das letzte Wort hat. Die Betonung liegt auf „einen“. Viele Köche verderben den Brei. Es braucht einen Mastermind, einen, der das ästhetische Gesamtkonzept verinnerlicht hat und letztlich schafft, dass es wie aus einem Guss kommt. Ich habe schon Filmmusiken komponiert und mich komplett dem Regisseur untergeordnet, weil ich wollte, dass es gut wird, was am Ende rauskommt. Umgekehrt habe ich in anderen Fällen von vornherein das Heft komplett in die Hand genommen, nicht aus Machtgeilheit, sondern weil ich wollte, dass es gut wird. Vorab entscheidet man sich für eine der beiden Optionen, dann gibt es nachher kein Schmollen. Ich glaube, so stehen die Chancen auf ein gutes Kunstwerk wesentlich besser. Es kann gut sein, dass das Stück auf der Bühne in Mannheim gelungen ist.
2. Es gibt eine paritätische Teamarbeit. Aber die entsteht nicht dann, wenn ein Intendant auf die Idee kommt, mal den und den zusammenzubringen, oder gar erst die Partitur geschrieben wird und dann holt man einen dazu, der’s auf die Bühne bringen soll. Nein, Regisseur und Komponist müssen sich aus eigenem Such-Trieb und mit einigem Glück finden, einander auf Herz und Nieren prüfen ob man zusammenpasst, und dann kann man mit der Arbeit beginnen und die Premiere mag gelingen.