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Mein Text „Schallnamen“ erschienen

Anfang 2019 habe ich eine Performance an der Musikuniversität Wien gemacht, in der Folge habe ich für den Band „Knowing in Performing“ einen Text geschrieben über künstlerische Forschung in meiner Arbeit.

Snip:

Zum Komponieren gehört die Reflexion übers Hören. Was hört man denn, wenn man einen Oboenton vernimmt, hier und jetzt, im 21. Jahrhundert, in Mitteleuropa? Mir ist im Zuge meiner musikalischen Arbeit immer mehr zu Bewusstsein gekommen, dass Klänge mit sprachlichem Wissen besetzt, ja zutiefst durchsetzt sind. Beethoven klingt wunderbar, aber es klingt auch nach Beethoven. Ein Klavier klingt schön, und klingt nach ›Klavier‹. Sprache geht dem Hören voraus. Am Anfang war das Wort.
Solange neue Klänge gefunden werden konnten, ließ sich dem entweichen. Die ›absolute Musik‹ des 19. Jahrhunderts verdankte sich unverbrauchten Klanglichkeiten wie dem seinerzeit modernen Flügel, der neuen Klarinette, den innovativen Ventilblechblasinstrumenten oder Neubauten wie dem Kontrafagott. Ähnlich entfaltete sich die vollkommen abstrakte Ästhetik Gottfried Michael Koenigs, dem Pionier der synthetischen elektronischen Musik in den 1950ern und 60ern; er hatte Geräte, mit denen sich ganz neuartige Klänge generieren ließen. Die These lautet aber: Das kommt an ein Ende, unverbrauchte Klänge werden äußerst rar, so wie das Periodensystem der Elemente in den letzten Jahrzehnten kaum noch um einen Eintrag reicher geworden ist.
Zuletzt waren da die ›erweiterten Spieltechniken‹ der Neuen Musik, von denen Mathias Spahlinger im Programmtext zu seinem Duo für Violine und Cello adieu m’amour 1980 noch schreiben konnte, dass sie »ungewöhnlich« seien, und die Möglichkeiten der digitalen Klangsynthese und -verarbeitung. Doch mittlerweile sind auch die erweiterten Spieltechniken nahezu restlos ausgeforscht, in Büchern katalogisiert, mit allgemein gültigen Notationssymbolen versehen und standardisierter Gegenstand der Kompositionsausbildung. Gleichfalls sieht man im Bereich von Audiosoftware nurmehr die Optimierung und Verfeinerung etablierter Kategorien, Prinzipien, Herstellungsweisen, spricht über kanonisierte Anwendungsgeschichten, weiß um historische und kulturelle Verortungen. Dass ein tatsächlich ungehörter, frischer Klang aus dem Lautspecher erklingt, davon ist kaum noch zu berichten. Im Pop diagnostiziert Simon Reynolds generell die »Retromania« – man remixed eigentlich nur noch einstige Errungenschaften wieder und wieder.
Je mehr die Klänge also da sind und bleiben, desto mehr werden sie auch versprachlicht, ihr Ziel und Schicksal, die ›Tendenz des Materials‹ ist die Nominalisierung. Musik wird be-sprochen, ein- und ausgesprochen.

Annegret Huber / Doris Ingrisch / Therese Kaufmann / Johannes Kretz / Gesine Schröder / Tasos Zembylas (eds.)
Knowing in Performing

Artistic Research in Music and the Performing Arts

How can performing be transformed into cognition? Knowing in Performing describes dynamic processes of artistic knowledge production in music and the performing arts. Knowing refers to how processual, embodied, and tacit knowledge can be developed from performative practices in music, dance, theatre, and film. By exploring the field of artistic research as a constantly transforming space for participatory and experimental artistic practices, this anthology points the way forward for researchers, artists, and decision-makers inside and outside universities of the arts.

https://www.transcript-publishing.com/978-3-8376-5287-1/knowing-in-performing/