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Über den Ausdruck „sich in die Luft sprengen“

Nach 9/11 monierte Max Goldt die notorisch gebrauchte Formel in den Nachrichten, dass in den Trümmern die Suche nach Überlebenden „fieberhaft“ erfolge. Es solle aber nicht fieberhaft, sondern professionell und mit klarem Verstand vorgegangen werden, bzw. das auch so kolportiert werden, so Goldt.

Eine Formulierung, über die ich in der letzten Zeit aus aktuellen traurigen Anlässen immer wieder stolpere, ist das standardisierte „sich in die Luft sprengen“ – vor dem Stadion „sprengten sich die Attentäter in die Luft“. Warum in die Luft? Die Luft ist bei dem Vorgang wahrlich der unwesentlichste physikalische Widerstand, vielmehr wurde der eigene Körper und dazu noch möglichst ein paar weitere zerfetzt. Die Leichenteile mögen durch die Luft, an Wände und Decken geflogen sein, die ermorderten Bewusstseine meines Glaubens nach ins Nichts transferiert – soll das dieses „in die Luft“ ausdrücken? –im Gegensatz zum IS-Jargon, demnach die Märtyrer ins Paradies fahren und die Ungläubigen in die Hölle… (Weiß gar nicht, ob’s im Islam überhaupt eine Hölle mit Teufelchen und großen Menschenkochtöpfen und so gibt.) Damit unterstelle ich wahrscheinlich einer einfach nur gedankenlosen Floskel zuviel der weltanschaulichen Intention.
Ein Haus wird gesprengt, das soll dabei möglichst ungefährlich zusammenbrechen. Beim Selbstmordattentat soll es dagegen möglichst spektakulär durch die Luft spritzen, denken sich vielleicht die Terroristen, dem würde der Ausdruck also gerecht. Aber was ist das für eine ‚Gerechtigkeit‘.
Wie das so ist, das vage Unbehagen bricht sich dann als Witz – oder dem Versuch davon – die Bahn. Hab auf Facebook gepostet:

IS-Büroangestellte so: „Ich geh mal raus, mich in die frische Luft sprengen.“

Prompt kam die Mail einer sehr nahestehenden Person, das ginge nicht, pietätlos und höhnisch usw. Ich halte es zwar für einen Witz auf Kosten der hirnverbrannten Terroristen, die wenn überhaupt Verachtung und angesichts ihres Fanatismus auch noch Verhohnepiepelung verdient haben, aber ich hab den ‚Witz‘, der wohl doch nicht so recht funktioniert, wieder runtergenommen.

Trotzdem, die Medien könnten auch sagen: Vor dem Stadion sprengte sich der Terrorist und riss drei weitere Menschen mit in den Tod. In die Luft? Mindestens redundant.