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Immaterial

„So einfach ist es nicht. Es ist viel einfacher.“

»Man glaubt gar nicht, wie schwer es oft ist, eine Tat in einen Gedanken umzusetzen!«
Karl Kraus

Das Konzept soll keinen Eingriff nötig haben, es soll seinen eigenen Verlauf nehmen. (LeWitt). Aber was heißt das. Sehnsucht nach Objektivität, nach der Kraft des Außerindividuellen, etwas größeres, der Wahrheit des Kollektivgeistes, der geschichtlichen Bewegung selbst. Meese: Die Diktatur der Kunst.
Die schöpferische Kraft des Intersubjektiven, die Kraft des bereits Vorhandenden, aber noch nicht Angezapften. Das Bereits Existierende ist der Künstler / die Künstlerin. Jedes Kunstwerk, das geschaffen wird, hat schon kurz davor existiert, aber ward noch nicht gesehen.
Krise der Gestaltung seitens des Künstlers, der Form, des Rhythmus‘, der Zeit, der Expressivität.
Kritik der Krise

Bei den frühen Atonalen hieß es: „Ist das noch Musik“
Beim der Konzeptmusik heißt es „Wird das noch Musik“

Die Konzeptmusik ist Kunst mit Musik, also Kunst mit den Elementen der Musik, oder Kunst über Musik, Kunsttätigkeiten (Performance, Video, Objekte) die von Musik handeln. Wird das noch Musik? Bei Audioguide lasse ich sagen: A Music theater about Music is also a Music theater.
So wie man sagen kann, dass Nietzsches Philosophie eine Psychologie der Philosophie war.

‚Wenn ich über die Musik reden könnte, bräuchte ich sie ja nicht mehr komponieren‘. Man kann aber über Musik reden, und vielleicht muss man alles durch Sprache ersetzen, was sich durch Sprache ersetzen lässt. Belastungstest, konzeptuelle Reinigung. Konzeptuelle Befreiung.

Vergleichen mit Variation: Im Gegensatz zur Variation eines Themas / entwickelnde Variation sind die Realisierungen von Konzepten die Realisierung eines nur abstrakt, ideell vorhandenen Themas (vgl. Platon). Varianten.

Bewusste Verwässerung des Kunstanspruchs

Etwas konzeptualisieren: Versteifung / Aufsteifung

Prozeptualismus

Gadgetism

indirektal

Abstraktion als Folge von Trauma (Serialismus, Stockhausen)

Der Minusbolero ist dekadent. (H.L.)

„Alle Ideen sind Kunst, wenn sie sich auf Kunst beziehen“ (LeWitt, Sätze über konzeptuelle Kunst)
Alle Ideen sind Musik, wenn sie sich auf Musik beziehen.

Da Konzeptualismus das Wesen der Abstraktion ist, kommen immer welche, die Konzepte schon überall in der Musikgeschichte entdecken – sie nutzen eben die Macht der Abstraktion.

Was ist das tolle, das Phänomenale, das Beglückende am NK.

 

Rigoroser als Kant hat jedoch Husserl Zugangsweisen und Gegebenheitsweisen miteinander identifiziert und damit jeden Dualismus vermieden. Jenseits unschuldiger Präsenz formuliert die Phänomenologie eine aufs Kategoriale gerichtete Anschauungslehre und schlägt insofern eine ähnliche Richtung ein wie Cassirers Symboltheorie: Inferiorisierung der Sinne gegenüber dem Bewußtsein. Was dann erscheint, bildet nichts Vorgegebenes mehr, nicht einmal die negative Auszeichnung eines Unverzichtbaren, vielmehr ist das Gemeinte immer schon das Kategoriale, was davon entbindet, überhaupt noch von einer Selbstgegebenheit der Dinge zu sprechen. Wahrnehmen bedeutet entsprechend eine in Modalitäten erfassende Aufmerksamkeit:

Farben entstehen im Akt des Sehens, wie Klänge im Prozeß des Hörens oder Topographien von Oberflächen im Moment ihres Ertastens, und zwar so, daß ihnen eine »Bedeutung« beigelegt wird. Noch in der schlichtesten Wahrnehmung liegt ein Abzielen und Vermeinen, eine »Zuwendung […] auf das Seiende«, wobei die Struktur der Wahrnehmung das Wahrgenommene in einer »unendlichen Erfüllungssteigerung« allererst konzeptualisiert.

Nicht Dinge kommen in die Sicht, sondern »Abschattungen« und »Ansichten«, die sie darstellen. So tritt die sinnliche Anschauung gegenüber der Vorstellung zurück: Sehen entspeicht Akten des Bedeutens, und Wahrnehmen heißt Entwerfen. Husserl nimmt auf diese Weise die analytische These von der Konstruktivität der Wahrnehmung phänomenologisch vorweg. Die Position gilt programmatisch bereits für die Logischen Untersuchungen: »Fingieren wir ein Bewußtsein vor..; und ingHchenJ^ an, wahr, nicht den Flug des Vogels oder das Bellen des Hundes: Einem solchen. Bewußtsein bedeuten die Empfindungen nichts, sie gelten ihm nicht als Zeichen; sie werden schlechthin erlebt, ermangeln aber einer J…] objektivierenden Deutung.. « Favorisiert wird das »Als-was«: Wahrnehmung geschieht intentional; sie meint immer ein auf »etwas als etwas« fokussiert, mithin von Anbeginn an mit einer konstitutiven Als-Struktur. Nicht das »Daß« (quod) von Eindrücken zählt, sondern ihre lesbaren Attribute. Evidenzen ohne Bedeutungen oder Vermittlungen sind dem Wahrnehmenden verwehrt: »Sprechen wir von Tieren, von Pflanzen, von Städten, Häusern usw., so meinen wir damit von vornherein Dinge der Welt […]. Die Dinge sind erfahren als Baum, Strauch, Tier, Schlange, Vogel; im besonderen als Tanne, als Linde, als Holunderstrauch […] usw.«

Die auf diese Weise antizipierte Semantisierung der Wahrnehmung läßt jede auratische Gewährung obsolet erscheinen. Wie sich ihr Konstruktivismus nach Paul Virilio einer durchgängigen Technisierung verdankt, spiegelt sich umgekehrt in ihrer Semantisierung eine tiefgreifende Mediatisierung der Lebenswelt. Das Sinnliche zeigt sich immer schon als sinnhaft erschlossen und von den Registern der Interpretation, ihren Lektüren und Relek- türen beherrscht. Unterstellt wird ein Zeichenuniversum, dem alles zur Kodierung, zur Kommunikation, zum Diskurs oder zum Medium wird: Triumph einer Immaterialisierung, die aus Sehen und Hören selbst noch eine Textur macht und das Sichtbare wie Hörbare in eine diskrete Reihe von Schnitten zerlegt, die sie zuletzt der Schrift anähneln. Dann betreibt der Sehende oder Hörende nur mehr Symbolisierungen: Wesentlich erscheinen allein die manipulativen Effekte, das Spiel von Signifikanzen oder die Muster ihrer Inszenierung, die zwar deren prinzipielle Variation und Veränderbarkeit konstatieren, die gleichwohl ihr Aisthetisches so weit entsinnlichen, daß es, wie schließlich bei Derrida, in eine generelle Absenz gerät: »Nun ich weiß nicht, was Wahrnehmung ist, und ich glaube nicht, daß es so etwas wie Wahrnehmungen gibt.« Entsprechend erweisen sich die Zeichenketten als »dicht«; ihnen eignet eine Undurchdringlichkeit, aus der Blick und Ohr sowenig herauszuführen vermögen wie die taktile oder haptische Sensibilität; vielmehr erblicken, hören oder fühlen diese immer nur schon Gesehenes, Gehörtes oder Ertastetes, das heißt Wahrgenommenes im Modus von Wiederholung und Verspätung.

Folglich erscheinen auch das Ereignis der Wahrnehmung, die Augenblicke der Affektion, des Eindrucks selbst nachträglich. Es setzt die rückhaltlose Totalisierung von Signifikation bereits voraus: Aisthetik nimmt einen Platz inmitten der unabschließbaren Serien von Differenzen und Vermittlungen ein, unterliegt ihrer Struktur, partizipiert an der Selbstreferentialität der Marken, die nicht einmal elementare Erfahrungen wie Ekel oder Schmerz als zerreißende und jede signifikante Ordnung sprengende Kraft zulassen. Dem korreliert ein Verschwinden von Materialität.Angezeigt wäre somit eine Krise der Aisthesis, die mit dem Regime des Symbolischen, seiner Formate und Gewebe zusammenfällt und die auch da noch besteht, wo auf die vermeintliche Authentizität von Wahrnehmungen ausdrücklich wieder gepocht wird.
Dieter Mersch

 

Der Konzeptualist schafft auf jeder Größenordnung Rahmen, nicht nur im Standard-Werk. Der Konzeptualist ist viel flexibler als alle anderen. Und er löst den Werkbegriff nicht auf, sondern verstärkt ihn. Werk ist jetzt viel mehr, viel mehr kommt zu Werkwürde.

Auch: etwas zum Gegenstand der Spekulation machen (den Konzeptualismus stark machen / zum Objekt der Spekulation machen)

Das Unverständliche – nicht das Unbegreifliche — ist die Empfängnis (conception), die Entstehung des Begriffs (concept) ausgehend von der reinen besonderen Eigentümlichkeit, die Er­ zeugung des besonderen Eigentümlichen (unendliche Bestim­ mung) ausgehend vom Begriff, das Objektwerden des Subjekts, das Subjektwerden des Objekts.

Trauerarbeit als Arbeit der Zunge/Sprache (langue), der Zähne und des Speichels, auch des Schluckens, der Assimilation und des Rülpsens. (Derrida)

 

Das ist also das Gründungsmanifest des Neuen Konzeptualismus:

„Mit der Musikförderung des Bundes will die Koalition den Ansatz einer konzeptorientierten Kulturförderung weiter- entwickeln. Die Gründung eines Musikfonds auf Bundes- ebene für die Entwicklung der zeitgenössischen Musik- kultur hilft, eine Lücke im Fördersystem zu schließen.“

(Koalitionsvertrag der CDU/CSU/SPD Bundesregierung 2013, S. 92)