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Immaterial

Dispression

Thomas von Aquin: Ordnung und Geheimnis, darin das Wort „Sinnzusammenhang“ mit dem Wort „Konzeptualismus“ ersetzt.

 

Was in der Schöpfung auf die höchste W e i s e gut ist, das ist das G u t der O r d n u n g des A l l s , das, wie der P h i l o soph [Aristoteles] sagt, auf die höchste W e i s e v o l l k o m m en ist; dazu stimmt die göttliche Schrift, w e n n sie sagt: »Es sah Gott alles, was er gemacht; u n d es w a r sehr gut«, während sie v o n d e n e i n z e l n e n W e r k e n e i n f a c h h i n gesagt hatte: »sie w a r e n gut«.

V o n j e vollkommenere r W i r k k r a f t etwas ist und je höher es steht auf der Stufenleiter der G u t h e i t , um so a l l gemeinsamer ist sein Streben nach dem G u t e n u n d um so mehr sucht u n d w i r k t es das Gute in dem, was f e r n von i h m ist.

Das Zeichen der V o l l k o m m e n h e i t in den niederen W e s e n ist dieses: daß sie etwas sich selber Ähnliches zu schaffen vermögen.

Was v o n Gott stammt, ist geordnet. D a r i n aber besteht die O r d n u n g der D i n g e , daß die einen durch die a n deren zu G o t t geführt werden.

Zwischen der Schöpfung u n d G o t t ist e i n zwiefacher B e z u g zu gewahren: einer, gemäß welchem die Geschöpfe durch Gott verursacht werden u n d v o n i h m als v om U r g r u n d ihres Seins abhängen. U n d s o gesehen, berührt G o t t, wegen der U n b e g r e n z t h e i t seiner Kraft, unmittelbar j e g liches D i n g , i n d em er es verursacht u n d im S e i n bewahrt: h i e r a u f bezieht es sich, daß G o t t auf u n m i t t e l b a r e W e i s e in a l l e n D i n g e n ist — durch W e s e n h e i t , G e g e n w a r t u n d Macht. Der andere B e z u g ist der, gemäß welchem die D i n g e zurückgeführt w e r d e n z u G o t t als z u i h r em Z i e l . U n d s o gesehen, findet sich e i n M i t t l e r e s zwischen G o t t u n d dem Geschöpf: w e i l die n i e d e r e n Geschöpfe z u G o t t geführt w e r d e n durch d i e höheren, w i e D i o n y s i u s [ A r e o p a g i t a ] sagt.

Zur V o l l e n d u n g der V o l l k o m m e n h e i t des A l l s war es notwendig, d a ß es geschaffene W e s e n gebe, die zu G o t t z u rückkehrten, nicht a l l e i n gemäß der A b b i l d l i c h k e i t ihres Wesens, sondern auch durch i h r W i r k e n . Dies aber k a nn nicht anders geschehen als im A k t der Vernunft und des

 

Nietzsche, Der Fall Wagner, „Wagner“ durch „Konzeptualismus“ ersetzt.

Ich mache mir eine kleine Erleichterung. Es ist nicht nur die reine Bosheit, wenn ich in dieser Schrift Bizet auf Kosten des Konzeptualismus lobe. Ich bringe unter vielen Spässen eine Sache vor, mit der nicht zu spassen ist. Konzeptualismus den Rücken zu kehren war für mich ein Schicksal; irgend Etwas nachher wieder gern zu haben ein Sieg. Niemand war vielleicht gefährlicher mit der Konzeptualismus verwachsen, Niemand hat sich härter gegen ihn gewehrt, Niemand sich mehr gefreut, von ihm los zu sein. Eine lange Geschichte! – Will man ein Wort dafür? – Wenn ich Moralist wäre, wer weiss, wie ich’s nennen würde! Vielleicht Selbstüberwindung. – Aber der Philosoph liebt die Moralisten nicht … er liebt auch die schönen Worte nicht….

Was verlangt ein Philosoph am ersten und letzten von sich? Seine Zeit in sich zu überwinden, „zeitlos“ zu werden. Womit also hat er seinen härtesten Strauss zu bestehn? Mit dem, worin gerade er das Kind seiner Zeit ist. Wohlan! Ich bin so gut wie der Konzeptualismus das Kind dieser Zeit, will sagen ein décadent: nur dass ich das begriff, nur dass ich mich dagegen wehrte. Der Philosoph in mir wehrte sich dagegen.

Was mich am tiefsten beschäftigt hat, das ist in der That das Problem der décadence, – ich habe Gründe dazu gehabt. „Gut und Böse“ ist nur eine Spielart jenes Problems. Hat man sich für die Abzeichen des Niedergangs ein Auge gemacht, so versteht man auch die Moral, – man versteht, was sich unter ihren heiligsten Namen und Werthformeln versteckt: das verarmte Leben, der Wille zum Ende, die grosse Müdigkeit. Moral verneint das Leben … Zu einer solchen Aufgabe war mir eine Selbstdisciplin von Nöthen: – Partei zu nehmen gegen alles Kranke an mir, eingerechnet Konzeptualismus, eingerechnet Schopenhauer, eingerechnet die ganze moderne „Menschlichkeit“. – Eine tiefe Entfremdung, Erkältung, Ernüchterung gegen alles Zeitliche, Zeitgemässe: und als höchsten Wunsch das Auge Zarathustra’s, ein Auge, das die ganze Thatsache Mensch aus ungeheurer Ferne übersieht, – unter sich sieht … Einem solchen Ziele – welches Opfer wäre ihm nicht gemäss? welche „Selbst-Überwindung“! welche „Selbst-Verleugnung“!

Mein grösstes Erlebniss war eine Genesung. Konzeptualismus gehört bloss zu meinen Krankheiten.

Nicht dass ich gegen diese Krankheit undankbar sein möchte. Wenn ich mit dieser Schrift den Satz aufrecht halte, dass Konzeptualismus schädlich ist, so will ich nicht weniger aufrecht halten, wem er trotzdem unentbehrlich ist – dem Philosophen. Sonst kann man vielleicht ohne Konzeptualismus auskommen: dem Philosophen aber steht es nicht frei, Konzeptualismus zu entrathen. Er hat das schlechte Gewissen seiner Zeit zu sein, – dazu muss er deren bestes Wissen haben. Aber wo fände er für das Labyrinth der modernen Seele einen eingeweihteren Führer, einen beredteren Seelenkündiger als der Konzeptualismus? Durch Konzeptualismus redet die Modernität ihre intimste Sprache: sie verbirgt weder ihr Gutes, noch ihr Böses, sie hat alle Scham vor sich verlernt. Und umgekehrt: man hat beinahe eine Abrechnung über den Werth des Modernen gemacht, wenn man über Gut und Böse beim Konzeptualismus mit sich im Klaren ist. – Ich verstehe es vollkommen, wenn heut ein Musiker sagt „ich hasse Konzeptualismus, aber ich halte keine andre Musik mehr aus“. Ich würde aber auch einen Philosophen verstehn, der erklärte: „Konzeptualismus resümirt die Modernität. Es hilft nichts, man muss erst Konzeptualist sein … „

2 Kommentare

  1. @Kreidler: Die letzten (konhzeptuell alterierten) Nietzsche-Sätze sind klasse und leuchten auch völlig unmittelbar ein:

    „Ich verstehe es vollkommen, wenn heute ein Musiker sagt ‚ich hasse den Konzeptualismus, aber ich halte keine andere Musik mehr aus‘. Ich würde aber auch einen Philosophen verstehen, der erklärte: ‚Konzeptualismus resümiert die Modernität.'“

  2. Kreidler sagt:

    Danke – ja, den Nietzsche-Wagner-Text mag ich auch ziemlich, werde ihn demnächst auch mal öffentlich lesen.