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Kategorie Technologik

Musik, Ästhetik, Digitalisierung – Eine Kontroverse

Jetzt ist es amtlich:

Am 17. August erscheint im Wolke-Verlag das Buch „Musik, Ästhetik, Digitalisierung – Eine Kontroverse“. Dem war ein öffentlicher Disput zwischen Harry Lehmann, Claus-Steffen Mahnkopf und mir vorausgegangen (Kulturtechno berichtete).

Das Vorwort des Verlegers:

2009 veröffentlichte der Physiker und Philosoph Harry Lehmann einen kurzen, provokanten Text mit dem Titel „Die Digitalisierung der Neuen Musik. Ein Gedankenexperiment“ in dem er die Folgen der digitalen Revolution für die Neue Musik hochzurechnen versucht, die inzwischen alle Bereich der musikalischen Produktion, Rezeption und Distribution zu erfassen beginnt.
Konkret werden diese Auswirkungen an drei institutionellen Säulen untersucht, auf denen die Neuen Musik ruht: in Bezug auf den Musikverlag, der das Notenmaterial herstellt, das Ensemble, welche die Kompositionen hörbar macht, und die Musikhochschule, welche das für die Neue Musik erforderliche Spezialwissen vermittelt. An allen drei Säulen ließen sich erste Erosionserscheinungen der Institution beobachten, welche so gravierend seien, dass sie – so die weitreichende Vermutung – zu einer Reformulierung der Idee und des Begriffs ‚Neuer Musik‘ führen könnten.
In seinem Beitrag „Zum ‚Materialstand‘ der Gegenwartsmusik“ definiert der Komponist Johannes Kreidler ‚Klang‘ nicht mehr als Zweck, sondern als Mittel des Kompositionsprozesses. Am Ende der vollständigen Digitalisierung allen musikalischen Materials werde einmal eine völlige Bemächtigung alles Klingenden stehen. Ein immenser Pool verfügbaren Klangmaterials eröffne ungeahnte Chancen für eine Semantisierung von Klang in gänzlich neuen Kontextualisierungen und Funktionalisierungen. Die Medienrevolution mittels Internet führe die Neue Musik aus ihrer ästhetischen Isolation. Netzwerke konkurrierten künftig nicht nur mit den traditionellen Aufführungs- und Vermittlungsräumen, sondern verschafften Neuer Musik ein vollständig neues Podium der Wahrnehmung und Kommunikation.
„Neue Technikgläubigkeit“ betitelt der Komponist Claus-Steffen Mahnkopf seine Antwort. Hinter Abspielprogrammen und Klangmischverfahren etwa eines „Soundshops“ verschwänden Mikrorhythmik, die Räumlichkeit des Klangs, Sinnzusammenhänge, ja das musikalische Subjekt – insgesamt der Eros der Musik. Kompositionsprogrammen, seien sie mathematisch noch so ausgereift und ließen sich alle Stile der Musikgeschichte dort programmieren, würden nur mehr oder weniger schlechte und stereotype Kopien hervorbringen und könnten nie so etwas wie künstlerische Kreation schaffen. Fortschritt verenge sich auf ein technisches Verfahren und rein technizistische Konzepte. Eine Computerkomposition gelange bestenfalls zu einem Mischergebnis einer kunstlosen „Musik mit Musik“.
In diesem Buch prallen Welten aufeinander. Die digitale Revolution scheint wie ein Angriff auf den etablierten Musikbetrieb. Dieser gilt nicht nur dem Klangkörper, sondern dem Studium, der Praxis, der Vermittlung, der Aufführung und der Verbreitung neuer wie alter „ernster“ Musik überhaupt. Die hier vertretenen Positionen lassen einen Generationenkonflikt vermuten, derer, die mit der Selbstverständlichkeit im Umgang mit dem Computer als einer „zweiten Welt“ aufgewachsen sind und sich mit der Quantifizierung und Beschleunigung einen Zugewinn an Freiheit versprechen, mit dem, der sich einem emphatischen Werk- und Kunstbegriff verpflichtet sieht und damit dem Immanenzprozess künstlerischer Produktion. Fortschrittsgläubigkeit in der Kunst ist keine neue Sache. Vor gut hundert Jahren formulierte Filippo T. Marinetti sein erstes Futuristisches Manifest einer neuen Maschinenkunst. Es sollte aber hundert Jahre dauern, bis die technischen Möglichkeiten auch einen qualitativen Quantensprung erahnen lassen. An dem Punkt der „Qualität“ scheiden sich nun die Geister. Und: Erschlägt das Konzept die Idee oder geht letztere im ersten auf…
Komposition, musikalische Praxis und musikalische Wahrnehmung stehen an einem Scheideweg. Die rasche Entwicklung der digitalen Welt samt ihrer Vernetzung wird für die musikalische Kreation nicht folgenlos bleiben. Zu lange Zeit war es still um musikästhetische Differenzen in neuer Musik. In der vorliegenden grundsätzlichen Kontroverse werden nun überfällige und drängende Fragen an die Zukunft neuer Musik gestellt und teils polemisch ausgefochten.
Die Kontroverse, die nach Harry Lehmanns Eingangstext zwischen Johannes Kreidler und Claus-Steffen Mahnkopf geführt wird, bleibt schlussendlich ergebnisoffen und wird sicher zu Folgediskussionen Anlass geben. Mit den abschließenden Beiträgen wurden persönliche Texte aus dem erweiterten Umfeld der Debatte vereinbart.

Hofheim, Juni 2010
Peter Mischung

Hier das Inhaltsverzeichnis.

Kreidler / Lehmann / Mahnkopf
Musik, Ästhetik, Digitalisierung
Eine Kontroverse
176 S., pb., € 17.–
978-3-936000-84-9

Zungen-Watch

Beeindruckendes Video über die Arbeit der Zunge. Könnte Material für „Feeds“ sein:

(via BoingBoing)

Swingerized Music

Tristan Jehan hat ein Programm geschrieben, das Musikdateien derart bearbeitet, so dass aus binärem Rhythmus tertiärer Swing wird. Schöne Idee, und überraschend ist, wie glitchfrei das tatsächlich möglich ist. Photoshop’d Music!

[Python Script turns everything into a Swing – Photoshop’d Music!]

Every Breath You Take:

Sweet Child O’Mine:

(via MusicMachinery)

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Die Geschichte des PC-Sounds am Beispiel

Tageslink: Zufall und Maschine

In der FAZ steht ein Artikel von Miriam Meckel über mangelnden Zufall bei Algorithmen und somit über ihre Unmenschlichkeit:

http://www.faz.net/s/RubCEB3712D41B64C3094E31BDC1446D18E/Doc~E9BDE288B742E43EEBDDE56A53AE79E24~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Hell wird’s aber erst in den Kommentaren. Zweierlei sieht die Autorin nämlich falsch:
1. Der Zufall ist ein schönes Beispiel dafür, dass Computer mehr als nur Rechner sind. Eigentlich ist der Zufall außerhalb der formalen Möglichkeiten einer Rechenmaschine; aber mit ihren Tricks kommt die Maschine doch zumindest jenseits der Schwelle, die Menschen erkennen können, so wie der Film Bewegung mittels einer hohen Bildfrequenz suggeriert.
2. Die Menschen verhalten sich auch ohne Computer ziemlich algorithmisch.

Ich will natürlich keine Herrschaft der Maschinen usw. propagieren, vielmehr sehe ich in ihnen die größte Chance, die Ausbeutung mindestens stark zu minimieren. Das geht aber nur mit einem besonnenen Verständnis von Computern. Hugh!

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Drumbot

Ein Roboter, der den vorgegebenen Rhythmus aufgreift und weiterkomponiert.

It is designed to combine the benefits of computational power and algorithmic music with the richness, visual interactivity, and expression of acoustic playing. We believe that when collaborating with live players, Haile can facilitate a musical experience that is not possible by any other means, inspiring players to interact with it in novel expressive manners, which leads to novel musical outcome.

(via Glaserei)

Schuhinstrument

Ok, die Technik funzt so langsam, jetzt braucht’s Gehalte.

(via Glaserei)

Tageslink: Revolution in der Gutenberg-Galaxis

Ein Text über die Novitäten des E-Books bei der immer wieder hervorragenden NZZ:

http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/aktuell/revolution_in_der_gutenberg-galaxis_1.5356218.html

Fassadendrucker

Graffiti kann nur besser werden! (Auch wenn das hier gezeigte das noch nicht erbringt.)

(via Spreeblick)

Zur Zukunft der Oper

… trägt Technologie das ihrige bei. Interessantes kleines Porträt eines Stimmmodifikationshandschuhs.

(via New Music reBlog)