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Mein Text „Das Shutter-Prinzip“ online

Mein Text „Das Shutter-Prinzip“, in dem ich eine Kompositionstechnik beschreibe, die bei mir manchmal Anwendung findet, publiziert im Tagungsband der Darmstädter Frühjahrstagung 2015 (erschienen im April 2016), steht jetzt online.

http://www.kreidler-net.de/theorie/kreidler__das_shutter_prinzip.pdf

Snip:

In meinen Collage-Arbeiten zwischen 2006 und 2012 („Musik mit Musik“) kommt vereinzelt das Verfahren vor, dass die Aufnahme einer bestehenden Musik, gerne Popmusik, im Hintergrund ständig läuft, dabei aber im periodischen Rhythmus von ungefähr einer halben Sekunde abwechselnd an/aus/an/aus… geschaltet wird. Man hört also nur 50 Prozent des Soundfiles‘; die Lücken werden von den Live-Instrumenten besetzt, oder versetzt erscheint in ihnen eine andere Musikdatei im selben Rhythmus, an-aus-an-aus. Deutlich nachvollziehen lässt sich das beispielsweise am Ende des ersten und des letzten Teils von in hyper intervals oder in Der Weg der Verzweiflung (Hegel) ist der chromatische ab 7‘45“ .
Dieses durchgehende An-aus-an-aus könnte man in Analogie sehen zu Erfahrungen des Lidschlags und der Penetration, erinnert an derartige Verfahren als Meßinstrument mit dem Stroboskop in der Wissenschaft oder als Effekt in der Disko, die Binarität verweist auf die Digitalisierung, das akustische Gitter steht schlechthin für die Ausschnitthaftigkeit der menschlichen „Wahrnehmungsmittel“ (Peter Rühmkorf).
Für das Shutter Piece, uraufgeführt bei den Wittener Tagen für Neue Kammermusik 2013, habe ich dieses Prinzip isoliert, minimalisiert und medial verstärkt: Nun ist an/aus monothematisch für das ganze Stück, statt einer Popmusik findet es mit Rauschen mit Sprachanteilen statt, und dazu wird der charakteristische Rhythmus auch als Video artikuliert. Ausgangspunkt war die musikalische Idee, dass die harten an/aus-Schnitte der Elektronik ermöglichen, säuberlich getrennt, innerhalb einer Sekunde sowohl eine laute wie auch eine leise Ebene zu haben, ohne dass das eine das andere gänzlich zudeckt. Hier ergibt sich etwas, das mich interessiert: Lässt man sehr lautes weißes Rauschen an/aus gehen, und live-Instrumente spielen dazu sehr leise ausgehaltene Töne, dann hört man diese leisen Töne nur in den Lücken zwischen den Rauschblöcken, welche ansonsten die feinen Linien maskieren.

http://www.amazon.de/%C3%9Cberblendungen-Ver%C3%B6ffentlichungen-Instituts-Musikerziehung-Darmstadt/dp/toc/3795710693